Ganze 185 Kilometer liegen zwischen Bukarest und der Stadt Brașov in den Karpaten. Die Verkehrsinfrastruktur in diesem wichtigen Wirtschaftsraum, in dem Millionen Menschen leben und arbeiten, entwickelt sich seit Jahrzehnten aber nur schleppend. Aus diesem Grund ist eine Fahrt zwischen den beiden Städten immer auch ein kleines Stückchen Lotterie. 

Von Bukarest führt zwar die A3 Autobahn bis Ploiești. Aber wer zum Beispiel vom Südostzipfel des Landes kommend von der A2 auf die A3 will, muss entweder durch die Stadt oder einen Abschnitt der Ringstraße wählen. Auch außerhalb der Verkehrsstoßzeiten sind beide Strecken zeitraubend.

Seit rund 4 Jahren wird daher an einem Bukarester Autobahnring mit einer Gesamtlänge von rund 100 Kilometern gearbeitet, der die bestehende Ringstraße wenn nicht ersetzen, dann doch ergänzen soll. Und etwas rührt sich, wenn auch langsam: Auf dem rund 50 Kilometer langen Südhalbring wird auf allen drei Abschnitten gearbeitet, so dass schon in diesem Jahr einige Strecken dem Verkehr zugeführt werden könnten. Das trifft besonders auf die Abschnitte zu, auf denen die türkische Firma Alsim Alarko arbeitet. Etwa 10 km könnten schon im Sommer befahrbar sein, weitere fast 17 km gegen Jahresende. Probleme gibt es dafür auf einem Abschnitt von rund 18 Kilometern, auf denen das griechische Unternehmen Aktor arg zurückgeblieben ist. Diese Strecke könnte erst 2024 für den Verkehr freigegeben werden.

Der Nordhalbring ist dafür weit problematischer. Für den ersten der vier Abschnitte ist nicht einmal die Ausschreibung richtig abgeschlossen. Die italienische Gesellschaft Impresa Pizzarotti & C SpA und die rumänische Retter Project Management haben sich gemeinsam für den Auftrag beworben und gewonnen, aber die Autobahngesellschaft disqualifizierte den Firmenzusammenschluss mehrmals. Nun soll aber alles in trockenen Tüchern sein und die Arbeiten könnten bald beginnen – die 17 Kilometer zu planen und fertig zu bauen könnte 34 Monate dauern, wenn alles gut geht. Auch auf dem dritten Abschnitt kam es zu Schwierigkeiten. Zum ersten Mal dürfen hier die Chinesen von der China Civil Engineering Construction Corporation (CCECC) arbeiten und zeigen, was sie können. Die Ausschreibung auf ihrem Abschnitt war rund drei Jahre lang Gegenstand eines komplizierten Rechtsstreits mit dem Staat und einem türkischen Anbieter – Stein des Anstoßes war die Auslegung einer Vorschrift, die chinesische Firmen von bestimmten Infrastrukturausschreibungen ausschließt. Da das Verfahren zur Auftragsvergabe allerdings erst vor Verabschiedung der Vorschrift begann, ist das chinesische Unternehmen ab jetzt mit dem Bau des dritten Abschnitts des Nordteils beauftragt. Doch Planung und Ausführung dauern 30 Monate, also wird das Projekt noch lange Zeit in Anspruch nehmen – denn der Vertrag wurde erst im März 2023 unterschrieben. Der zweite Abschnitt, wo ein Konsortium um die rumänische Baufirma Spedition UMB arbeitet, könnte pünktlich fertig werden, aber aufgrund der Verspätungen, nicht wie geplant an die anderen Abschnitte angeschlossen werden.

Fazit: Bis sich der Autobahnring um Bukarest schließt und voll befahrbar ist, wird es wohl noch rund drei Jahre und mehr dauern.

Doch die A0 ist sowieso nur ein Kapitel der Geschichte. Denn nach Ploiești schlängeln sich kilometerlange Staus durch das Prahova-Tal bis hin nach Brașov. Nur in Teilen ist die Nationalstraße DN 1 zweispurig, es geht oft einspurig zu, auch durch den Innenverkehr von Städten und ab und zu auch mal über Serpentinen. Passiert ein Unfall, verbringen Fahrer so viele Stunden auf der Straße, dass sich ein Kurzurlaub von zwei Tagen kaum mehr lohnt. Für den Warenverkehr ist die Strecke ein Albtraum, da LKW-Verbote und Geschwindigkeitsbegrenzungen auch unter der Woche eher die Regel als die Ausnahme sind.

Eine Autobahn zwischen Ploiești und Brașov ist daher auf dem Wunschzettel aller Politiker. Noch ist aber alles in der Schwebe für dieses wichtige Infrastrukturprojekt. Eins ist dennoch klar – es wird deutlich mehr kosten als die rund eine Milliarde Euro, die für die A0 um Bukarest veranschlagt ist. Erst in diesem Jahr könnten die ersten komplizierten Abschnitte ausgeschrieben werden, nachdem die Autobahngesellschaft CNAIR vorerst nur den Prozess der Befragung des Publikums gestartet hat.

Knackpunkt ist hier der bauliche Ansatz auf der Strecke zwischen Comarnic und Braşov, die durch Berggelände führt. Ein erster Kostenvoranschlag von rund 8,5 Milliarden Euro wurde als viel zu teuer klar abgelehnt, nun wird auf eine Alternative gewartet.

Bis diese aber da ist und mit der Umsetzung begonnen werden kann, greift die Regierung zu einer Notlösung, für die im März schon der Vertrag unterschrieben wurde: eine Kreisstraße, die aus Câmpina durch das Doftana-Tal bis Săcele bei Braşov führt, soll modernisiert werden. Die 26 Kilometer kosten rund 130 Millionen Euro und die Arbeiten sollen drei Jahre dauern. Das heißt, wenn Enteignungen von Bauland entlang der Straße auch reibungslos klappen. Die modernere Straße würde den Verkehr auf der DN1 entlasten und zumindest einige Instagram-geeignete Landschaften liefern.

Premierminister Nicolae Ciucă beeilte sich zu versichern, dass die Modernisierung nicht heißt, dass die Idee einer Autobahn zwischen Ploiești und Braşov aufgegeben wird. Von der Opposition erntete die Initiative massiven Spott. Cătălin Drulă, Ex-Verkehrsminister und Chef der Union Rettet Rumänien schrieb auf Facebook von einer „falschen Alternative“ zum Prahova-Tal. Zwei Jahre nach der Unterschreibung des Vertrags zur Planung der Autobahn Ploiești-Comarnic-Brașov passiere gar nichts mehr und das sei alles, was die Regierung liefern könne – Flickarbeiten und Kreisstraßen, keine große Infrastruktur von europäischem Kaliber.

In Brașov, hat man von so vielen gebrochenen Versprechen wahrscheinlich die Nase voll. Anstatt auf eine Anbindung an die Hauptstadt zu warten, haben die dortigen Behörden inzwischen einen eigenen internationalen Flughafen gebaut, der bald reguläre Flüge nach Europa anbietet. Und vielleicht irgendwann einmal auch Verbindungen nach Bukarest, die weniger dauern als eine Autofahrt.

Alex Gröblacher