Mitte Juni wurden Sie zum Präsidenten der AHK Rumänien gewählt. Was sind die Hauptziele Ihres Mandats?
Die deutsche Wirtschaft ist der wichtigste Handelspartner Rumäniens. Vor diesem Hintergrund ist es eine wichtige Aufgabe, gemeinsam mit dem Vorstand und den AHK-Mitgliedern die wichtigen Themen anzugehen. Insbesondere geht es darum, die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen weiterzuentwickeln und mit den Unternehmen, der Politik, mit regionalen Organisationen, Assoziationen vielen Partnern gut zusammenzuarbeiten. Es ist unsere zentrale Aufgabe, die Geschäfte vor diesem Hintergrund zu fördern und die Interessen unserer Mitglieder zu vertreten.
Aber inzwischen gibt es auch viele neue Themen. Lassen Sie mich nur exemplarisch den Green Deal nennen. Er hat schon jetzt und wird in Zukunft noch mehr Einfluss haben – auf das wie wir leben, uns bewegen, unsere Häuser heizen, wie wir produzieren.
Wenn ich mit den Kunden meines Unternehmens, der BASF, spreche und mit den Mitgliedern der AHK, stelle ich immer wieder fest, dass viele dies noch nicht so auf ihrer Agenda haben. Wir werden in Zukunft enorme Mengen an grünem Wasserstoff benötigen, um unsere Industrie zu elektrifizieren – hier sind wir gemeinsam mit Unternehmen und Politik in der Diskussion und engagiert. Mit dem neu gewählten Vorstand, der Geschäftsleitung und mit unseren Mitgliedern, mit der Politik und allen Stakeholdern möchten wir gemeinsam diese Herausforderungen anpacken und umsetzen.
Es ist mir sehr wichtig einen Beitrag für diese Themen, das Land, die Menschen zu leisten, für ein starkes Rumänien in einem starken Europa – und dies mit guten Deutsch-Rumänischen Wirtschaftsbeziehungen, starken Unternehmen in Rumänien.
Vor diesem Hintergrund haben wir gerade in den letzten Monaten neue Arbeitskreise und zahlreiche neue Aktivitäten in der AHK begonnen, die wir weiter ausbauen werden. Wichtig ist mir auch, dass die AHK weiterhin eine starke Stimme hat und dies weiterentwickeln.
AHK Rumänien, die größte bilaterale Handelskammer in Rumänien, feiert in 2022 ihr zwanzigjähriges Bestehen. Welche Rolle spielt die AHK bei der Entwicklung der rumänisch-deutschen bilateralen Beziehungen?
Ja, in der Tat, die AHK in Rumänien ist die größte bilaterale Handelskammer des Landes mit fast 600 Mitgliedern. Für die Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen in den letzten 20 Jahren hat die AHK Rumänien einen wichtigen Beitrag geleistet. Diese haben sich sehr positiv entwickelt. Und nächstes Jahr wird dieses Jubiläum gebührend gefeiert!
Deutschland ist Rumäniens wichtigster Handelspartner mit einem Handelsvolumen von ca. 30 Mrd. Euro. Es liegt auch bei den ausländischen Direktinvestitionen an erster Stelle – laut einer Analyse der Rumänischen National Bank (BNR) zu FDI. In Rumänien sind mehr als 7000 deutsche Unternehmen tätig, die direkt mehr als 250.000 Mitarbeiter beschäftigen. Direktinvestitionen deutscher Unternehmen in Rumänien haben mit 11 Milliarden Euro einen beachtlichen Betrag erreicht.
Die AHK Rumänien hat Unternehmen bei ihren Entscheidungen zu investieren unterstützt, und vor Ort werden die Unternehmen durch ein kompetentes Team begleitet. Die AHK ist gewissermaßen ein Motor für die Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen. Dies zeigt sich ganz praktisch beispielsweise daran, dass Unternehmen bei der Markterschließung unterstützt werden oder auch, wenn es darum geht, neue Lieferanten zu gewinnen, Produktionen aufzubauen oder wenn Unternehmen ihre Geschäfte vor Ort weiterentwickeln möchten.
Der rumänisch-deutsche Handel hat sich im ersten Halbjahr dieses Jahres mit einem Plus von mehr als 20 % deutlich erholt. Wie sehen Sie die Dynamik des bilateralen Handels für das ganze Jahr und was schätzen Sie für 2022?
Ich denke, wir können alle von unseren Geschäften berichten, dass wir zurück sind auf einem guten Wachstumspfad. Sicher geholfen hat, dass viele Unternehmen gut durch die Krise letztes Jahr manövriert sind, das Instrument der Kurzarbeit, wofür sich die AHK maßgeblich eingesetzt hat. Der IWF hat vor kurzem seine Prognose für das Bruttosozialprodukt abgegeben. Hier wird für dieses Jahr ein Wachstum von 7% erwartet. Der deutsch-rumänische Handel hat deutlich zugelegt und ist im ersten Halbjahr mehr als 20% gewachsen. Auch unsere AHK-Umfragen unter den Mitgliedern bestätigen diesen positiven Wachstumstrend eindeutig.
Sicher, wir kämpfen alle mehr oder weniger mit Preissteigerungen, Verfügbarkeit von Produkten und weiteren Herausforderungen – die aber eher auf die globale Situation zurückzuführen sind – aber alles in allem haben wir eine gute, positive Entwicklung in den letzten Monaten gesehen – und der Puls des Landes, der Industrie unserer Geschäfte schlägt jetzt wieder schnell und kraftvoll und dies erwarten wir auch für die nächsten Jahre.
Ein paar Worte zu Herausforderungen und Möglichkeiten. Wenn ich mit unseren Mitgliedern und Kunden meines Unternehmens spreche, so glaube ich, sind wir alle doch recht gut durch das schwierige Jahr 2020 manövriert.
Mit den Resilience und Recovery Funds und deren zielorientiertem Einsatz – gerade vor dem Hintergrund des Green Deals - kann enorm viel getan werden, um die Wettbewerbsfähigkeit von Rumänien weiter deutlich zu verbessern. Auch kommen weitere Themen in Fokus in 2022, die ihre Kräfte dann und in den darauffolgenden Jahren entfalten werden. Hier würde ich nur Themen wie Nearshoring und die Entwicklung hin zu einem Innovationshub in verschiedenen Gebieten wie IT, Mobility und weiteren Bereichen nennen.
Welche Chancen bietet der rumänische Markt derzeit für deutsche Investoren und was sind die wichigsten Herausforderungen für das Geschäftsumfeld?
Ich sehe enorme Möglichkeiten in diesem großartigen Land. Für den Standort sprechen viele Möglichkeiten. Es ist ein Land mit sehr talentierten Menschen, mit einer guten industriellen Basis und Rohstoffen. Es gibt viele Fachkräfte – auch wenn in dem einen oder anderen Teil des Landes Fachkräftemangel besteht und dringender Bedarf besteht.
Es ist der größte Markt in Südosteuropa, es hat eine kaufkraftstarke Mittelschicht, ein sehr fruchtbares Land aus Agrarsicht und ein Land mit riesigen Potentialen im Tourismus, um nur einige zu nennen. Sicherlich auch seine Lage ist ein wichtiger Faktor für Unternehmen und das Thema Infrastrukturverbesserung wird jetzt zunehmend angepackt.
Diese Standortfaktoren sind auch zugleich Möglichkeiten für Investitionen. Die Automobilindustrie beispielsweise geht über die verlängerte Werkbank hinaus; hier entstehen mit den neuen Anforderungen an Mobility in Rumänien derzeit innovative Zentren. Im IT-Sektor, aber auch in anderen Bereichen wie der Konsumgüterindustrie sowohl auf dem lokalen Markt als auch für den Export gibt es gute Möglichkeiten. Vor dem Hintergrund des Green Deals und der Anforderungen an Kreislaufwirtschaft und neue Energien gibt es zahlreiche neue spannende Möglichkeiten. Abfallwirtschaft, Recycling, ChemCycling sowie Investitionen in neue Energiegewinnungsformen, wie Wind- und Solarparks sind spannende neue Wirtschaftsfelder. Die Elektrifizierung der Industrie hat gerade erst begonnen und Rumänien kann hier ein wichtiger Spieler werden.
Als ich hier begann - vor zwei Jahren - da hörte ich, das Land ist deutlich unter seinen Möglichkeiten. Heute kann man sagen, nie waren die Voraussetzungen besser als jetzt - die Potentiale zu heben. Leider ist die derzeitige politische Situation, die sehr plötzlich und unerwartet für alle entstanden ist, nicht hilfreich in diesem Umfeld. Hoffen wir mal, dass sich alle ihrer Verantwortung und der großartigen Möglichkeiten derzeit bewusst werden und in die gleiche Richtung das Land ziehen.
Herausforderungen sind sicherlich einige nach wie vor vorhanden und wir arbeiten hier gemeinsam mit der Politik und allen daran Beteiligten an weiteren Verbesserungen und adressieren die Themen. Die deutsche Wirtschaft hat von Anfang an das duale Ausbildungssegment unterstützt. Gut ausgebildete Fachkräfte sind wesentlich für eine starke Wirtschaft. Auch gerade für den weiteren Ausbau der Wertschöpfungsketten – für die weitere Entwicklung in Richtung Innovationsstandort. Infrastruktur ist natürlich ein Dauerbrenner.
Viel Reformversprechen erhielten in der Vergangenheit das Vertrauen und den Zuspruch der Wirtschaft. Jetzt muss die Regierung zeigen, dass sie die Reformen auch umsetzen kann und wird.
Jetzt bietet Rumänien die einmalige Chance, Herausforderungen und Chancen zu bewältigen und deutlich die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Wie gesagt – Green Deal und Nachhaltigkeit haben die Agenda übernommen – der Übergang in eine nachhaltige Zukunft hat begonnen und wird in den kommenden an Geschwindigkeit und Bedeutung gewinnen.
Dieser Green Deal erfordert eine ganz neue Art der Zusammenarbeit – zwischen Politik, Industrie und Gesellschaft. Innovationen fördern, aber auch den Transformationsprozess begleiten und gestalten sind wichtig.
Reformversprechen müssen umgesetzt werden: Bürokratieabbau, die Allokation von EU-Funds und in Zukunft zielgerichtete EU Recovery & Resilience Funds Projekte – hier ist wichtig, dass diese zielgerichtet und innovationsfördernd eingesetzt. Auch müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden. Die Politik kann im gemeinsamen Dialog mit Wirtschaft und Gesellschaft die vielfältigen Herausforderungen anpacken.
Bitte senden Sie im Namen der AHK eine Nachricht an die Leser des DeBizz Magazins, der einzigen lokalen deutsch-rumänischen Wirtschaftspublikation.
Wir leben in einer Zeit des Paradigmen Shifts. Wir sehen den Wandel von linearen Wirtschaftssystemen hin zu zirkulären Wirtschaftssystemen. Mit den enormen Resilience und Recovery Funds und dies vor dem Hintergrund des Green Deals und der Entwicklung Rumäniens von der verlängerten Werkbank hin zu einem Investitionsstandort, gibt es in Zukunft viele Geschäftsmöglichkeiten.
Gemeinsam mit dem neuen AHK Vorstand, mit dem AHK Team, allen Mitgliedern und allen, die in diesem großartigen Land tätig sind und mit den Lesern der DeBizz möchten wir diese Möglichkeiten und Herausforderungen anpacken.
Unsere Botschaft: Lassen Sie uns gemeinsam die vielfältigen Herausforderungen und Möglichkeiten im konstruktiven Dialog anpacken in diesem großartigen Land! Lassen Sie uns die Wirtschaftsbeziehungen weiter gemeinsam entwickeln in einem starken Rumänien, in einem starken Europa.
Ein Interview von Ioan Dornescu