Wir wünschen uns fast alle in einer Komfortzone zu leben, in der die Dinge berechenbar sind. Aber das Leben ist nicht so, es lässt sich nicht so einfach kontrollieren, oder doch? Jeder von uns hat schon unangenehme und unvorhersehbare Ereignisse durchleben müssen, sei es im Beruf, zuhause im Privatleben oder im Zusammenhang mit der eigenen Gesundheit. Irgendwie spüren wir tief in unserem innersten, dass das Leben seine eigenen Gesetze hat. Schauen wir uns das Thema Kontrolle über das Leben mal etwas genauer an, was liegt in unserem Einflussbereich, was eher nicht?

Was könnte ich denn weitgehend kontrollieren?

Man sollte annehmen, dass wir unsere eigenen Gedanken und Handlungen kontrollieren können. Aber allein unsere Gedanken in Ordnung zu halten, ist schon eine Herausforderung. Sehr oft verselbstständigen sie sich, es entstehen Sorgen und Ängste, Horrorvisionen, die unsere Aufmerksamkeit konsumieren. Eigentlich müssten wir wissen, dass über 90% der negativen Gedanken, die wir haben, ohne Berechtigung sind. Im eigenen Gedankenmanagement liegt ein zentraler Punkt persönlicher Entwicklung; ja, es braucht Zeit, aber die Arbeit lohnt sich. Auch Entscheidungen darüber, in welche Aktivitäten Sie Ihre Energie hineingeben, obliegt Ihnen. Weitere Punkte, die Sie weitgehend kontrollieren sind Ihre Ziele im Leben und auch die Art, wie Sie Herausforderungen managen, wie liebevoll Sie mit sich und anderen Menschen umgehen. Wenn Sie diese Dinge einmal näher betrachten, können wir selber doch eine ganze Menge tun, um unsere Lage in den Griff zu bekommen. Eng verbunden mit unseren Gedanken sind unsere Einstellungen zu den Dingen, die uns widerfahren. Die Wahl der Einstellung ist eine enorme Freiheit, die man nicht hoch genug einschätzen kann. Ist ein verlorener Job ein Drama oder eine neue Chance, das zu tun, was Sie immer schon tun wollten? Damit ist nicht Zweckoptimismus gemeint, sondern die gereifte Erkenntnis, dass alles immer mehrere Seiten hat und Sie entscheiden, wem oder was Sie Ihre Aufmerksamkeit widmen. Die Dinge sind, wie sie sind, den Rest fügen wir durch unsere Gedanken hinzu, seien Sie sich dessen immer bewusst.

Was ist eher nicht kontrollierbar?

Die Zukunft ist nicht kontrollierbar, ausser im Kino. Das Verhalten und die Motivation anderer Menschen auch nicht. Was jemand über Sie denkt, können Sie auch nur sehr eingeschränkt steuern. Was um Sie herum passiert, entzieht sich auch weitgehend Ihrer Kontrolle; was Ihnen wann in Ihrem Leben widerfährt, zum Beispiel wann Ihr Leben endet, entzieht sich zum grossen Teil Ihrer Kenntnis. Im Grunde ist das Leben in zentralen Bereichen nicht berechenbar, das akzeptieren wir auch unbewusst auf einer tieferen Ebene unserer Existenz, auch wenn wir auf unseren Unternehmensspielwiesen reichlich Strategie, Planung und Kontrolle erleben.

In diesem Zusammenhang ist Interessant, dass wir alle ein eher verdeckt vorhandenes Vertrauen in das Leben haben. Sonst würden Sie permanent in Angst leben und sich nicht aus dem Haus trauen. Man könnte dieses Vertrauen auch Urvertrauen nennen; es ist von fundamentaler Bedeutung für unsere Existenz. Wenn Sie abends einschlafen, geben Sie die Kontrolle ab; Sie vertrauen auf den Körper, dass er auch ohne Ihr Bewusstsein atmet und Sie am Leben erhält, bis Sie am nächsten Morgen wieder aufwachen. Genau dieses Abgeben von Vertrauen an das Leben, das es schon einen Weg finden wird, macht uns stärker. Wir können lernen, öfter mal den Dingen ihren Lauf zu lassen und nicht alles kontrollieren zu wollen, meist sowieso nur aus Angst heraus. Viele meiner Kunden lernen genau dies: bis zu einem gewissen Grad können Sie etwas tun, an der Veränderung einer Situation in der Firma arbeiten, aber es gibt auch einen Punkt, ab dem Sie den weiteren Verlauf der Dinge nicht mehr in der Hand haben und vertrauen und loslassen müssen. Grade dann zeigen sich oftmals Lösungen, die Sie so nicht erwartet haben.

Dr. Michael Schroeder

michael.schroeder@linarson.com