
Gesündere Finanzierungansätze
Dem rumänischen Gesundheitssystem geht es, um es elegant auszudrücken, schlecht. Die COVID-Pandemie hat das eindeutig unter Beweise gestellt. Eine riesige Corona-Todesrate (im Oktober war es die weltweit höchste im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung), Betriebsunfälle und Brände auf Intensivstationen am laufenden Band, Ärzte und Pflegepersonal am Rande der Erschöpfung. Doch die Corona-Krise ist nur das vorerst letzte Symptom in einer ganzen Reihe von Problemen, mit denen das System kämpft.
Unter den 27 Ländern der EU belegt Rumänien den unschönen ersten Platz gemessen an der Anzahl der vermeidbaren Todesfälle. Eine Statistik von 2019 zeigt, dass im Stichjahr 2016 über 80% der Todesfälle bei Personen unter 75 Jahren beim damaligen Stand der Medizinwissenschaft und -Technik vermeidbar waren.
Diese Lage steht in direktem Verhältnis mit dem Stellenwert, den der Staat den Gesundheitsausgaben zumisst: in 2018 gab Rumänien 580 Euro pro Einwohner aus, am wenigsten in der EU. Und auch am BIP gemessen, ist Rumänien absolutes Schlusslicht mit 5,6%. Nur zum Vergleich – Dänemark gibt 5260 Euro für jeden Einwohner aus, Deutschland investiert 11,5% des BIP für die Gesundheit seiner Bürger aus.
Umgekehrt wissen wir aus Studien, dass die Gesundheit kein lästiger Kostenfaktor ist, sondern eine sinnvolle Anlage. Zuletzt zeigte in diesem Herbst ein Analyse aus dem Hause McKinsey Global Institute, dass Rumänien durch massive Investitionen in den Gesundheitssektor bis 2040 schätzungsweise zusätzliche 26 Milliarden USD zur Wirtschaft beisteuern könnte. Das entspricht einer Steigerung des BIP um 9% und ein um 0,4 Prozentpunkte schnelleres Wachstum.
Systemreformer klagen immer wieder über die Korruption in den Führungsetagen und der Ärzteschaft, doch liegt das Problem vielleicht eher beim Modell der Finanzierung. Seit den späten 1990er Jahren gibt es nach dem Modell mehrerer europäischer Länder auch in Rumänien Gesundheitsversicherungen, in die Arbeitgeber und Arbeitnehmer (heute größtenteils nur sie) einzahlen. In Rumänien ist das System allerdings nicht von den Versicherten beaufsichtigt, es gibt keine Selbstverwaltung der Kassen wie zum Beispiel in Deutschland. Der Staat beschließt, was in der Kasse passiert – auch, dass zum Beispiel Arbeitnehmer in Branchen mit hoher gesundheitlicher Belastung wie dem Baugewerbe von Krankenversicherungsbeiträgen, aber auch sehr viele Rentner befreit sind. Dazu kommen Zuschüsse vom Staat für landesweite Programme zur Bekämpfung bestimmter Krankheiten (so Tuberkulose) und für Prävention.
Das Finanzierungssystem ist undurchsichtig und die Last ungleich verteilt. Das an das australische Modell angelehnte System der Abrechnung von medizinischen Dienstleistungen von Hausärzten, Krankenhäusern und anderen Akteuren ist schwerfällig und unüberschaubar komplex.
Es wäre eine Überlegung wert, ob vielleicht nicht doch eher das britische System besser zu Rumänien passen würde. Das dortige NHS ist steuerfinanziert und zumindest Steuern bezahlt auch in Rumänien (fast) jeder, was zumindest zu einer gerechteren Lastenverteilung führen würde. Und auch das NHS ist entstanden, weil das frühere Versicherungssystem scheiterte.
Alex Gröblacher
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