Von Null auf Hundert und umgekehrt
Die grausamste Vorhersage am Weltmarkt des Rohöls hat sich nicht verzögert : Die Federal Reserve (die Zentralbank der Vereinigten Staaten) kündigt an dass der Ölpreis 2019 auf fast Zero (NULL) Dollar pro barrel fallen wird! Die Ölproduzenten in Amerika oder anderswo würden somit gezwungen sein, die Öl-Produktion in nur 3 Jahren gratis auszuschütten, wie die Fed-Niederlassung in St.Louis berichtete. Sehr gut, das bedeutet aber nicht dass das Öl wirklich gratis am Markt verkauft wird sondern es zeigt dass aufgrund des Analysenmodels der Federal Reserve, welches die Preise der Commodities (Güter, Rohstoffe, Waren) berücksichtigt sowie aufgrund der Inflationserwartungen, der Ölpreis – im Vergleich zur Funktion des Öls für fast jede Wirtschaftstätigkeit – ein äußerst niedriges Niveau erreichen kann. Dem US-Nachrichtenmagazin Fortune zufolge, „entweder unterschätzt der Markt das Inflationsrisiko oder überschätzt er den Zukunftspreis des Öls”. Wollen wir uns daran errinern dass neuerlich die Goldman Sachs einen Ölpreis von cca.20 US-Dollar pro Barrel prognostiziert hatte, der saudi-arabische Ölminister hatte darauf reagiert : „Wie können wir mit 20 überleben!”. Wir nähern uns dem Ende des ersten Quartals des Jahres und es wird immer deutlicher dass wir uns am Ausgangspunkt für eine langfristige Transformation des Energiemarktes befinden. Im Rückblick betrachtet, wurde 2015, den Analysten der Zeitung „The Economist”zufolge, als ein Jahr „der günstigen und grünen Energie”angesehen, das durch niedrige Preise für fossile Brennstoffe und verstärkte Nutzung von erneuerbaren Energien gekennzeichnet werden sollte. Die ursprüngliche Vorhersage hatte sich als richtig erwiesen. Den EIU-Analisten zufolge, wird der Trend auch dieses Jahr aufrechterhalten. Nach mehr als einem Jahr seit dem Beginn des Ölpreisverfalls, bleibt das Angebot auf einem hohen Niveau und die Öltanks sind überfüllt obwohl sich die Gesamtnachfrage langsam erholt. Die überfüllten Öltanker steuern unsinnig übers Meer auf möglichst verwirrten Routen denn der Beförderungpreis ist erträglicher als der Verlust bei Entladung und Verkauf des Öls zu niedrigen Preisen. Und die Ölpreise werden nicht bald auf das neuerliche Rekordniveau zurückkehren. Der Markt bleibt überversorgt bei gleichzeitiger Rekordproduktion der OPEC-Länder und einer weiterhin großen Produktion der nord-amerikanischen Unabhängigen. Mit der Verbrauchsverminderung in den Vereinigten Staaten und der Verlangsamung der Wachstumsrate in China könnte die Nachfrage dieses Jahr senken. Analysten zufolge, wird jedoch dieses Jahr auf dem Ölweltmarkt keine wesentliche Änderung erfolgen währenddessen die massive Auswirkung des Investitionsrückgangs von Seiten der Hauptölproduzenten als Maßnahme gegen den Preisverfall frühestens 2017 spürbar sein wird.
Was haben denn die Kartelhersteller vor ? Saudi-Arabien verlangt von den Amerikanern dass diese ihrerseits den Ölpreis senken oder vom Markt verschwinden. Neulich, bei einer Pressekonferenz in Houston (Texas, USA), sagte der saudi –arabische Ölminister Ali Bin Ibrahim al-Naimi „obwohl es hart klingt, sei es Tatsache dass die Ölproduzenten mit höheren Förderkosten, entweder ihre Produktionskosten senken können oder ihre Laden „dicht machen” und das ist „die effizienteste Methode zur Wiederherstellung des Gleichgewichts der Märkte”. Moody’s zufolge, stoßen cca.80 nord-amerikanische Produzenten von Schieferöl auf Schwierigkeiten bei der Rückzahlung von Darlehen an die Banken. Produzenten von Schieferöl von Texas bis nach Nord-Dakota werden in den nächsten Monaten, laut einem von Bloomberg zitierten Bericht, durch Umstrukturierungen und Konkursanmeldungen „dezimiert” werden, die Überlebenden werden sich als konservativer erweisen.
Der S&P500 Index Oil&Gas hat um cca.60% im Vergleich zum Halbjahr 2014, auf ein historisches Minimum seit 2009, gesunken. Minister Al-Naimi versuchte den Ölunternehmern in Houston zu erklären, dass das Einfrieren der Ölforderung – irgendwie zur Vorliebe Rußlands – ausreichen könnte, um das Gleichgewicht auf dem Globalmarkt herzustellen.
Mit der Zeit, würden die Produzenten mit hohen Förderkosten verschwinden und der Zuwachs der Nachfrage würde langsam die Überproduktion verschlucken. Wie die Internationalen Energieagentur berichteten, bedeutet das tatsächlich noch 2 Jahre mit niedrigem Ölpreis. „Das Abkommen über das Einfrieren des Ölpreises werde zu keiner Produktionsminderung führen, das wird nicht geschehen”, so Al-Naimi. Venezuela, Saudi-Arabia, Rußland und Katar möchten ein Zusammentreffen der OPEC-Länder und non- OPEC-Länder, bei dem die Beteiligten über das Einfrieren der Ölförderung entscheiden sollen.
Die Ölminister dieser Länder haben neuerlich angekündigt dass sie sich darauf geeinigt haben, die Produktion einzufrieren und sie wollen damit die großen Produzenten dazu bewegen, ihre Produktion ebenfalls nicht mehr auszuweiten. Das Abkommen würde die saudi-arabische Produktion und die Produktion Rußlands auf dem Rekordstand von Januar einfrieren. Es ist aber sehr wahrscheinlich dass der Iran, aufgrund der Aufhebung der Iran-Sanktionen einige Wochen zuvor und des Nachholbedarfs, diese Version ablehnen wird. Das Abkommen wird provisorisch angewendet, es hängt auch von dem Beitritt anderer Ölproduzenten ab und es ist nicht ehrgeizig (Einfrieren eher als Fõderkürzung), was von vielen Analysten nicht als wichtiges Abkommen gehalten wurde. Erfahrung zeigt aber dass Produktionsabsprachen normalerweise in mehreren Etappen erreicht werden, oftmals nach mehreren erfolglosen oder teilweise erfolglosen Versuchen. Bei erfolgreichen Abmachungen wird oftmals von den vorübergehenden Schwächen bestimmter Förderländer profitiert und deshalb haben sich zumindest ein paar Unterzeichnerstaaten der vorherigen Übereinkommens das Recht vorbehalten, die Produktion über das akzeptierte Niveau zu erhöhen. Gleichzeitig sind all diese Übereinkünfte kurzfristige Abkommen, sie führen zukünftig zu noch mehreren und komplizierten Problemen. Deswegen gilt das in Doha angekündigte Abkommen eher als ein erster Schritt zu einem ehrgeizigeren und umfangreicheren Abkommen, das sich von nun an in einigen Monaten konkretisieren würde.
Der Umfang und Schnelligkeit der Ölkrise hat alle Ölproduzenten überrascht und alle erdölexportierende Länder betroffen sowie alle Ölgesellschaften. Die ursprüngliche OPEC–Strategie, die Produktion auf hohe Fördermengen zu halten, hat auf eine modeste und kurzfristige Preissenkung abgezielt, die zum Nachteil der amerikanischen Produktion von Schieferöl hätte sein sollen, sowie anderer Ölproduzenten mit höheren Förderkosten und traditionellen Mitbewerber (der Iran), mit der Absicht, diese vom Markt zu verdrängen. Es wurde so ins Auge gefaßt, den Marktanteil der Organisation wiederherzustellen. Die Strategie dürfte erts jetzt erfolgreich sein denn es wurde über eine Verminderung der amerikanischen Produktion von Schieferöl und eine scharfe Senkung der Explorations-und Förderkosten in den non-OPEC Ländern berichtet.
Die Strategie erwies sich bei weitem zu langsam und aufwendig im Vergleich zu OPEC-Erwartungen, als die Preise 2014 zu sinken begannen.
Es besteht noch Zweifel daran, wie schnell das Gleichgewicht des Marktes wiederhergestellt wird und ob die Preise zum vorherigen Niveau zurückkommen werden. Dabei machen die meisten Analysten keine Vorhersage über die Wiederherstellung des Marktes bis 2017 sogar 2018. Hingegen, führte die OPEC-Strategie dazu dass die meisten erdölexportierenden Länder, sei es OPEC oder non-OPEC-Länder, flexibler wurden und sie sich mit einem Produktionsabkommen abzufinden begannen. Zumindest, im Prinzip. Es gibt eine starke Motivation, den Erfolg der laufenden Strategie zu unterstützen – dann soll diese schweigend abgeändert werden. Saudi-Arabien und ihre Verbündeten aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und Kuwait haben in den vorigen Wochen unterstrichen dass die Strategie funktioniert, sie haben aber Zeichen zur Offenheit für die künftige Reduzierung der Ölproduktion gegeben. Rußland gab auch zu verstehen dass man bereit sein könnte, sich in verschiedenen aber nicht spezifizierten Formen einem eventuellen Produktionsabkommen anzuschließen. Venezuela, einer der am stärksten betroffenen Produzenten, unterstützt ebenfalls das Einfrieren der Ölproduktion. Haben die meisten Länder gemischte oder konfuse Botschaften hinsichtlich ihrer Bereitschaft zur Erreichung einer Verständigung gegeben so zeigt dies den Umfang der Angelegenheiten bei denen keine Einigung erzielt werden konnte, so die Analysten.
Bis jetzt, hat kein anderes Land gewollt, das erste zu sein, das tatsächlich mit einer Begrenzung der Produktion beginnen soll, was aus Angst vor einer Abschwächung ihrer Verhandlungsposition geschah. Der kürzlich angekündigte Deal in Doha ist unvollständig und basiert eigentlich eher auf Konzessionen als auf Engagements und er wird nicht die Produktion dermaßen einschränken können dass das Gleichgewicht auf dem Markt wiederhergestellt werden klann. Die Bedeutung der Übereinkunft von Doha besteht darin dass sie zumindest darauf andeutet dass ein Teil der größten Ölproduzenten und Exporteure bereit wäre, eine Übereinkunft zu treffen. Der Iran wird voraussichtlich ein solches Abkommen, welches seine Produktion bis auf das Niveau vor Aufhebung der Sanktionen beschränken würde, ablehnen. Aus der saudi-arabischen Sicht, besteht die Attraktion eines solches Abkommens darin dass es ein Teil der Verantwortung für die Fortführung der Überproduktion dem großen Mitbewerber, dem Iran, zuweist. Die Aufmerksamkeit wird nun mehr auf Teheran als auf Ryad und Moskau gelenkt, genau was sich die saudi-arabischen und russischen Verhandlungsführer gewünscht haben. Wesentlich ist die Form in welcher der Iran ein Produktionsabkommen ablehnen wird : Der Iran könnte das Abkommen zur Gänze zurückweisen und eine einseitige Maximisierung der eigenen Produktion ankündigen oder er könnte eine freiwillige kurzfristige Begrenzung der Produktion akzeptieren, wobei die Absicht der Erhöhung seiner Ölexporte zu einem späteren Zeitpunkt angekündigt werden soll. Niemand und nichts kann den Iran stoppen, dass er über eine Einschränkung 2016 oder sogar über die Erhöhung seiner Exporte auf einem geplanten Niveau entscheidet, unter dem gleichzeitigem Vorbehalt der Produktionssteigerung 2017 und nach 2017. Die Verunsicherung hinsichtlich der Frage wieviel Öl der Iran nach Aufhebung der internationalen Sanktionen produzieren kann ist der Grund warum Saudi-Arabien die Besprechungen betreffend die Senkung der Produktion auf Mitte des laufenden Jahres zu verschieben gewünscht haben.
Trotzdem, bestehen zahlreiche Möglichkeiten der schlauen Diplomatie oder, wenn Sie wollen, der geschickten Diplomatie. Es geht in der Diplomatie nicht nur darum, unvereinbare Gegensätze zu lösen – es sollen auch Wege gefunden werden, um Zeit für einen Momentgewinn aller beteiligten Akteure zu sichern. Es wird in diesem Fall die Frage gestellt, ob die OPEC-Länder und Rußland, in der Hoffnung einer kurzfristigen Wiederkehr der Ölpreise zu vorherigen Niveaus und somit einer Erhöhung der eigenen Öleinkünfte, bereit wären das große Problem der langfristigen Marktanteile beiseite zu legen. Wird denn ein Abkommen nun oder später dieses Jahr die Überproduktion auf dem Markt beseitigen können? Die Vereinigten Staaten von Amerika, trotz der androhenden Konkursanmeldungen unter den nord-amerikanischen Produzenten von Schieferöl, bleiben gleichzeitig ein einflußreicher Produzent und ein großer Verbraucher im Ölmarkt. Nicht unberücksichtigt gelassen werden kann die Unnachgiebigkeit des Irans, seine Verluste durch massive Exporte nachzuholen, trotz des Widerstands der Saudi-Araben. Deshalb bin ich damit einverstanden dass ein Abkommen über das vorläufige Einfrieren der Ölproduktion lediglich ein erster Schritt auf einem verunsicherten Weg der Versuche zur Wiederherstellung der Einflüsse auf dem Ölmarkt sein wird.
«Wir nähern uns dem Ende des ersten Quartals des Jahres und es wird immer deutlicher dass wir uns am Ausgangspunkt für eine langfristige Transformation des Energiemarktes befinden»
von Daniel Apostol
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