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Von Constanta nach Danzig, über Washington

Während die Trump-Regierung Amerika wieder großartig machen will, verstärkt sie ihr Engagement in Mitteleuropa, und Rumänien und andere Länder der Region profitieren.

Amerika ist in Bukarest wieder in aller Munde. Der alte Mythos, dass die Amerikaner kommen, um Rumänien zu retten, lebt wieder auf im Jahr 2020, wenn die beiden Länder 140 Jahre diplomatische Beziehungen feiern.

Dem neuen amerikanischen Botschafter in Rumänien, dem New Yorker Rechtsanwalt Adrian Zuckerman, der sein Amt im Dezember 2019 angetreten hat, ist es gelungen, die Brücken zwischen den beiden Regierungen zu stärken. Der in Bukarest geborene Zuckerman spricht fließend Rumänisch und ist ein aktiver Kommunikator, der häufig eine entschiedene Haltung gegen die Korruption in Rumänien einnimmt.

In letzter Zeit hat seine Arbeit vielleicht sogar noch mehr Gestalt angenommen. Die USA haben ein neues Interesse an Rumänien gefunden, und die strategische Partnerschaft, die die beiden Länder 1997 ins Leben gerufen haben, zeigt allmählich mehr Wirkung. Sehr zur Zufriedenheit der Regierung von Präsident Trump hat Rumänien seine Militärausgaben erhöht und kauft massiv Verteidigungstechnologie von den USA – einschließlich der Patriot-Raketensysteme. Vor kurzem diskutierte der rumänische Verteidigungsminister Nicolae Ciuc? in Washington mit US-Verteidigungsminister Mark Ester künftige Pläne.

Gleichzeitig haben Anfang Oktober der amerikanische Energieminister Dan Brouillette und sein rumänischer Amtskollege Virgil Popescu den Entwurf eines zwischenstaatlichen Abkommens zur Zusammenarbeit bei der Erweiterung und Modernisierung des zivilen rumänischen Atomkraftprogramms unterzeichnet. Im Grunde sollte das Abkommen, das die Amerikaner als „historisch“ bezeichnen, Rumänien die Möglichkeit geben, amerikanisches Fachwissen und amerikanische Technologie für den Bau der Reaktorblöcke 3 und 4 des Kernkraftwerks Cernavod? und die Sanierung von Reaktorblock 1 zu nutzen. Wie Brouillette es ausdrückte, „ist die Kernenergie von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass Rumänien eine zuverlässige, erschwingliche und emissionsfreie Stromversorgung hat, und die US-Kernindustrie freut sich darauf, ihr Fachwissen zur Förderung dieser wichtigen Energiequelle zur Verfügung zu stellen“. Über die spezifischen Vereinbarungen ist nicht sehr viel bekannt, aber laut Botschafter Adrian Zuckerman wird der amerikanische Mischkonzern AECom „dieses 8-Milliarden-Dollar-Projekt leiten, mit Unterstützung von (…) rumänischen, kanadischen und französischen Unternehmen“.

Die Arbeiten an dem Kraftwerk bei Cernavod? begannen unter dem kommunistischen Regime, wobei die Behörden damals beschlossen, die sowjetischen Standards aufzugeben und stattdessen die westliche CANDU-Technologie zu übernehmen. Die beiden derzeit in Betrieb befindlichen Reaktoren erzeugen je rund 700 MW, die beiden neuen Reaktoren sollen jeweils etwa 720 MW erzeugen. Heute hat die Kernenergie einen Anteil von rund 20% am rumänischen Energiemix, aber das Ziel ist es, den Anteil deutlich zu erhöhen.

Die Blöcke 3 und 4 des Kernkraftwerks an der Donau sind schon seit längerer Zeit ein wichtiges Thema. Doch jetzt herrscht ein neues Gefühl der Dringlichkeit, denn die Europäische Union treibt ihre Pläne zur Bekämpfung des Klimawandels voran, und die Kernenergie gilt (etwas widerwillig) als saubere Alternative zur Energieerzeugung auf Kohlebasis. Unter dem sozialistischen Premierminister Victor Ponta sollten die Chinesen jedoch die Technologie liefern und die neuen Reaktorblöcke bauen. Bukarest und Peking diskutierten verschiedene Ansätze, 2015 wurde ein Memorandum mit der China General Nuclear Power Corporation unterzeichnet, aber am Ende wurde nichts wirklich erreicht. Deshalb erklärten 2020 die meist staatlichen Anteilseigner des rumänischen Kraftwerks das Projekt für tot.

Die neu gefundenen amerikanischen Partner scheinen es ernst zu meinen. Sie sind nicht nur bereit, die Technologie zu liefern, sondern auch eine mögliche Finanzierungslösung. Neben dem zwischenstaatlichen Abkommen unterzeichnete der rumänische Energieminister Virgil Popescu auch ein Memorandum of Understanding mit der Export-Import-Bank der Vereinigten Staaten (EXIM), das den Handel und die wirtschaftlichen Möglichkeiten zwischen den beiden Ländern verbessern soll. Die EXIM und Rumänien „vereinbaren, Optionen für die potenzielle Nutzung von EXIM-Finanzierungen in Höhe von bis zu 7 Milliarden Dollar zu prüfen und zu identifizieren und Bereiche für eine Zusammenarbeit zur Förderung von Geschäftsentwicklungsmöglichkeiten, insbesondere in der Energie- und Infrastrukturbranche festzulegen“.

Natürlich beteiligen sich die Amerikaner nicht aus reiner Herzensgüte an dieser Partnerschaft. Einerseits dient die Initiative dazu, den chinesischen Einfluss im Land, wirksam zu untergraben, nachdem dieser bereits durch ein nicht offen ausgesprochenes quasi-festes rumänisches Versprechen, keine Huawei-Technologie nicht für das neue 5G-Telekommunikationsnetz zu verwenden, verringert wurde. Auf der anderen Seite fördert sie gleichzeitig die amerikanische Energieagenda. Die EXIM-Pressemitteilung erwähnt wörtlich „das Interesse der USA an einer Finanzierungskomponente in Höhe von 7 Milliarden Dollar für die Entwicklung von Energieprojekten – einschließlich Atomkraft und Flüssiggas“. Die USA drängen seit langem auf Flüssiggas als Methode, um unabhängiger von russischem Gas zu werden, und haben mit Sanktionen gegen die am Bau der Nord Stream 2-Gaspipeline beteiligten Unternehmen das Projekt aufs Korn genommen. Viele Analysten interpretieren den parteiübergreifenden Widerstand Washingtons gegen das Projekt, das russisches Gas direkt vor die Haustür Deutschlands liefern soll, gerade als aggressiven Weg zur Förderung der Flüssiggas-Agenda. So zitiert zum Beispiel die Website naturalgasintel.com den Energieanalysten Connor McLean von BTU Analytics LLC : „wenn Nord Stream 2 wie erwartet ans Netz geht, könnte der Zustrom von Lieferungen nach Europa weiteren Druck auf eine Erholung der US-Flüssiggasbranche im Jahr 2021 ausüben“.

Doch die amerikanischen Ambitionen in der Region, Rumänien eingeschlossen, machen vor Energieprojekten nicht Halt. Die EXIM will sich auch an „Infrastrukturprojekten – Straße, Schiene, Lagerstationen“ – beteiligen, und bei der Paraphierung des Regierungsabkommens in Washington erwähnte Botschafter Zuckerman „ein neues Projekt für Rumänien, mit Polen, zum Bau einer Autobahn und Eisenbahn von Constan?a am Schwarzen Meer nach Danzig an der Ostsee“.

Die Blaupause dieses Infrastrukturkonzepts geht auf strategische Ziele zurück, die im Rahmen der so genannten Drei-Meere-Initiative festgelegt wurden, einer regionalen Kooperationsorganisation von 12 mittel- und osteuropäischen Ländern entlang der Ostsee, der Adria und des Schwarzen Meeres, weshalb sie manchmal auch als BABS bezeichnet wird. (Das Akronym stammt von den Anfangsbuchstaben der englischen Bezeichnung der drei Meere: Baltic, Adriatic, Black Sea)

Im Rahmen von BABS will die rumänische Seite die über 3.600 km lange Bahnstrecke zwischen der Hafenstadt Constan?a am Schwarzen Meer und Danzig an der polnischen Ostseeküste modernisieren, ein Projekt von sowohl militärischer als auch ziviler Bedeutung. Die Bahnverbindung besteht aus Abschnitten, die zum Transeuropäischen Verkehrsnetz TEN-T gehören und daher zumindest teilweise für eine Förderung aus Brüssel in Frage kommen.

Die Straßenkomponente ist jedoch nebliger. In der Tat verfolgte Polen im Rahmen der Drei-Meere-Initiative das Konzept der Via Carpathia, eines Verkehrskorridors von Nordosteuropa in den Südosten des Kontinents, der in Klaipeda in Litauen beginnt, durch Polen, die Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien verläuft und schließlich bis nach Thessaloniki in Griechenland reicht. Aber weder der rumänische Schwarzmeerhafen Constan?a noch die polnische Hafenstadt Danzig liegen an der Via Carpathia, sie müssen in einer späteren Phase durch separate Autobahnen verbunden werden. Niemand kennt den Verlauf dieser Autobahn; es ist immerhin unwahrscheinlich, dass sie Rumänien und Polen über die Ukraine – ein Land außerhalb der NATO – verbinden wird.

Aber zumindest finanziell gibt es einen Hoffnungsschimmer: Als die BABS-Initiative 2016 startete, galt sie eher als informelles Diskussionsforum, doch im Februar 2020 wurde sie von den USA mit neuem Leben erfüllt. In seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz sagte US-Außenminister Mike Pompeo den mittel- und osteuropäischen Ländern, die der Drei-Meere-Initiative angehören, eine Finanzierung von bis zu einer Milliarde US-Dollar zu.

Alex Gröblacher

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