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L’etat, c’est nous

Der rumänische Staat gehört seinen Bürgern – mehr, als es ihnen lieb ist.

von Alex Gröblacher

Es sind kurze, knappe, einprägsame Sätze in der Sprache der Anlageberater. Am 25. November: Rumänisches Finanzministerium verkauft planmäßig 300 Millionen Euro in T-Bonds mit Laufzeit April 2020. Einige Tage früher hieß es (am 22. November): Rumänien nimmt 500 Millionen RON aus T-Bonds mit vierjähriger Laufzeit ein. Am 6. November: Rumänien verkauft 500 Millionen RON T-Bonds mit Laufzeit bis Juni 2019. Noch am 20. Oktober waren 300 Millionen RON verkauft worden.

Fast wöchentlich laufen solche Meldungen bei Abonnenten diverser Nachrichtenagenturen ein. Bei Investoren sind anscheinend gerade vor dem Hintergrund der EZB-Zinspolitik die rumänischen Staatsanleihen besonders beliebt. Das Bid-to-Cover-Ratio, also das Verhältnis zwischen erhaltenen und angenommenen Geboten, lag zuletzt sogar bei 6,6. Das Finanzministerium in Bukarest frohlockt, denn aufgrund der robusten Nachfrage brechen die Zinsen ein, zu denen Rumänien sich mit Krediten eindecken kann: Die Renditen der Anleihen erreichten zuletzt keine drei Prozent für langfristige Euro-Anleihen und 2,4% bei RON-Bonds bis zu vier Jahren. Die breite Öffentlichkeit merkt davon wenig, sonst würde sie mit den Politikern härter ins Zeug gehen: Konstante Neuverschuldung bei gleichzeitigen Haushaltsüberschüssen und dümpelnden öffentlichen Investitionen grenzt an grober Fahrlässigkeit, auch wenn das Geld billig zu haben ist.

Diese staatlichen Wertpapieremissionen sind in der Regel einer gut informierten Elite vorbehalten. Doch daran könnte sich bald etwas ändern. Das Finanzministerium will nämlich, dass das Angebot auch einer immer größeren Anzahl von Kleinanlegern zugänglich wird. Dazu soll zunächst der Wert der einzelnen Titel von 10.000 RON (fast 2250 Euro) auf 5.000 RON halbiert werden. Der An- und Verkauf der Wertpapiere soll sehr einfach, transparent und kostengünstig über die Bukarester Börse abgewickelt werden. Die Investition in rumänische Staatsanleihen sei auch deshalb attraktiv, weil die Kapitalgewinne aus dieser Quelle steuerfrei sind.

Die Reaktionen auf die Pläne der Regierung fielen gemischt aus – es scheint so zu sein, dass die rumänischen Bürger dem eigenen Staat weniger vertrauen, als es ausländische Anleger tun. Die Kommentare der Leser nach den Medienberichten sind kaum druckreif, doch im Tenor glauben viele, dass es sich bei den Ideen der Regierung nur um schmutzige Tricks handelt, um dem Normalbürger das Geld aus der Tasche zu gaukeln. Es rächt sich heute auch, dass der Staat in den 1990er Jahren allerhand suspekte Ponzi-Spiele mehr oder weniger offen unterstützt hat, um dann beim Zusammenbruch keine Haftung für die riesigen Verluste der Bevölkerung zu übernehmen. Auch die Schuldigen gingen weitgehend straffrei aus. Eine gewisse Zurückhaltung ist also normal.

Skeptiker unter den Bürgern sollten sich dennoch vergegenwärtigen, dass sie sehr wohl in den rumänischen Staat investieren, auch wenn sie es nicht unbedingt wahrnehmen. Im Jahr 2008 hat Rumänien nämlich eine tiefgehende Reform des staatlichen Rentensystems begonnen. Im Kern wurden zusätzlich zur öffentlichen Rentenversicherung – der ersten Säule des Systems – zwei neue Säulen eingerichtet. Die 3. Säule ist die freiwillige private Altersvorsorge; sie ist im Kontext kaum relevant. Umso interessanter ist die Situation der 2. Säule. Hier ist die private Pflichtversicherung angesiedelt. Anders als in der öffentlichen Alterssicherung, die nach dem Umlageverfahren funktioniert, wird bei der 2. Säule für jeden Versicherten ein Konto eingerichtet, in das schrittweise bis 2015 sechs Prozentpunkte aus dem gesetzlichen Arbeitnehmerbeitrag fließen sollen. Dieses Geld wird am Kapitalmarkt angelegt und soll idealerweise bei Erreichen des gesetzlichen Rentenalters ausgezahlt werden. Das Reformpaket zielt darauf ab, das unter demographischem Druck stehende öffentliche System zu entlasten.

Schon von Anfang an stellte sich für den Gesetzgeber die Frage des Risikomanagements. Die privaten Rentenversicherer bewegen sich auf einem gefährlichen Spannungsfeld zwischen einerseits höchstmöglichen Renditen und andererseits geringmöglichsten Risiken für die Ersparnisse der Anleger. Der Staat setzte deshalb der zu hohen Risikobereitschaft dadurch Schranken, dass für die Anlage des Kapitals auf dem freien Markt nur bestimmte Wertpapiere in Frage kommen.

In den sechs Jahren seit Beginn der Reform haben sich signifikante Beträge angesammelt. Im Jahr 2008 waren zwar nur Arbeitnehmer unter 35 verpflichtet, sich an der 2. Säule zu beteiligen; Arbeitnehmer im Alter zwischen 35 und 45 Jahren durften freiwillig einzahlen. Aber auch so sind nach Daten der rumänischen Finanzaufsichtsbehörde ASF inzwischen etwa 6 Millionen Versicherte daran beteiligt. Zum 31. März 2014 hatten sie ein Gesamtvermögen von umgerechnet ungefähr 3,3 Milliarden Euro zusammengespart. Weit mehr als zwei Drittel dieser gewaltigen Summe (sie entspricht rund 2,4% des Bruttoinlandsprodukts Rumäniens) werden in staatlichen Wertpapieren angelegt. Weitere fast 16 Prozent stecken in börsengehandelten Aktien. Fast 95% des Geldes ist in Rumänien angelegt, die durchschnittliche Jahresrendite belief sich in den letzten 24 Monaten auf 8,5 Prozent.

Die Versicherten können die Investitionspolitik der privaten Rentenfonds nicht beeinflussen – was umgekehrt darauf hinausläuft, dass mit dem Geld der Skeptiker auch gegen ihren Willen die Schulden des rumänischen Staates auf dem Kapitalmarkt finanziert werden.

Es kommt noch bunter. Rumänische Staatskonzerne gehören dem rentenversicherten Bürger in noch größerem Umfang, als er es wahrhat. Daten der ASF belegen es: Fast eine Milliarde RON haben die privaten Rentenfonds in strategisch wichtige staatliche Unternehmen (Romgaz, Electrica, Transgaz, Transelectrica, Nuclearelectrica, Antibiotice, Oil Terminal) angelegt. Bei allen größeren Geschäften, bei denen der Staat Anteile an seinen eigenen Firmen über die Börse veräußerte, waren die Fonds prompt da und kauften, was das Zeug hielt. Sogar an der Börsengesellschaft selbst sind die Rentenversicherungen mit über 12 Prozent beteiligt.

Man mag dem eigenen Staat und der eigenen Wirtschaft also vertrauen oder nicht – ihre Leistung beeinflusst die Zukunft und die Altersvorsorge des einzelnen Bürgers aber auf jeden Fall maßgeblich. Vielleicht noch mehr als vor 25 Jahren, zur Zeit der volkseigenen Betriebe. Damals gehörten sie dem Volk nur auf dem Papier.

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