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Öfter mal still sein

Wir sind es gewohnt, immer zu sprechen, uns zu unterhalten, zu interagieren mit Medien und das den ganzen Tag. Wenn wir einmal schweigen, erzeugt dies für viele Unbehagen. Wir werden dann schnell ungeduldig und fühlen das Verlangen, Momente des Schweigens möglichst schnell wieder mit Worten aufzufüllen. „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“, heisst es in einem alten deutschen Sprichwort, das wir wohl vergessen haben. Permanent erzeugen wir einen Wortschwall oder dieser geht über uns hernieder.

Steigen wir einmal auf verschiedenen Ebenen in das Thema der Stille ein. Was passiert eigentlich, wenn wir nichts sagen? Ich hatte vor kurzem einen Topmanager im Coaching, der zu viel Micromanagement mit seinen eigenen Leuten betrieb und dann kaum noch Zeit für seine eigenen Aufgaben als Chef fand. Er war zu sehr damit beschäftigt, Anweisungen zu geben und Lösungswege anzubieten, die Mitarbeiter waren es auch so gewohnt. Nach einigen Sitzungen probierten wir etwas aus: In seiner nächsten Teamsitzung sprach er wieder ein Problem an und anders als sonst gab er dieses Mal keine Lösung vor sondern wartete einfach ab, er schwieg einige Minuten. Dann wurden die Mitarbeiter unruhig und schliesslich fing ein Mitarbeiter an zu reden, dann ein weiterer, etc. Es entwickelte sich unerwartet ein Dialog, in dem die Mitarbeiter mehr und mehr Verantwortung übernahmen, der Chef moderierte praktisch nur noch das Gespräch. Von diesem Moment an veränderten sich die Meetings drastisch. Es zeigte sich, dass die Mitarbeiter weit mehr können, als der Chef gedacht hatte. Durch den Moment des Schweigens hat er etwas ausgelöst, was auch ihn grundlegend verändert hat.

Schauen wir uns ein anderes Beispiel an: Sie halten eine Rede und benutzen die Möglichkeit des Schweigens, um die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu bekommen. Wie oft habe ich es erlebt, dass in den Kommunikationstrainings eine weit höhere Qualität des Vortrages erreicht wurde, einfach nur durch den Einsatz von Pausen. Achten Sie mal darauf, wie Sie vor Publikum reden, meistens ist es ein ununterbrochener Fluss von Worten, ohne Pause, wir haben eben oft Angst davor, einfach mal anzuhalten. Sie werden überrascht sein, was ein kurzer Moment der Stille in Reden bewirken kann.

Oder nehmen wir ein drittes Beispiel: Es gibt Firmen, die schon sehr weit auf dem Weg des „Mindfulness“ fortgeschritten sind. So kann man beobachten, dass manchmal Sitzungen mit einer Ruheminute begonnen werden, einfach um eine bestimmte Energie aufzubauen. Es wird dann nicht gesprochen. Ich kenne eine Firma, die sogar mit Klangschalen in Management-Meetings arbeitet. Immer dann, wenn sich einzelne Egos der Mitarbeiter zu stark und laut äußern, hat ein Teilnehmer die Aufgabe, die Klangschalen kurz zum Schwingen zu bringen, es herrscht dann Ruhe und nach wenigen Momenten gehen die Gespräche weiter. Die Energie hat sich dann geändert und konstruktivere Gespräche sind wieder möglich. Gute Ideen und Weisheit kommen nicht selten aus einem Moment der Stille, auch in einem Meeting ist das möglich.

Schweigen hat etwas magisches. Es ist nicht nur die Abwesenheit von Sprache oder von Geräuschen. Es öffnet sich eine weitere, tiefere Ebene der Stille. Unsere Aufmerksamkeit verschiebt sich auf einmal auf etwas anderes, sie verschiebt sich auf diesen Moment, in dem wir uns gerade befinden, die Uhren bleiben praktisch stehen. Aber wer von uns kann schon einfach nur so in der Stille ruhig sitzen bleiben? Blaise Pascal sagte einmal:“ All of humanity’s problems stem from man’s inability to sit quietly in a room alone.” Je mehr Sie sich mit der Stille anfreunden, umso mehr gehen Sie auf Ihre eigene innere Entdeckungsreise. Stille können wir nicht wirklich mit Worten oder unserem Verstand begreifen. Durch das permanente Reden vernebeln wir uns im wahrsten Sinne des Wortes den Blick auf das wesentliche, auf das was wir wirklich sind. Wir überdecken unsere Angst, wir wollen uns ständig mitteilen und unser Ego bestätigen. Jeder, der schon einmal Erfahrung mit Meditation oder anderen Formen der Bewusstseinserweiterung gemacht hat, kann diesen Wesenskern erahnen. In Worte fassen können wir ihn nicht.

Während ich diese Zeilen schreibe, bereite ich mich auf ein silent retreat in Portugal vor. Eine Woche lang wird überhaupt nicht gesprochen, jeder der Teilnehmer ist nur mit sich selbst beschäftigt. Ich werde über meine Erfahrungen berichten.

Dr. Michael Schroeder

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