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Rumäniens Autoindustrie steht vor einer entscheidenden Wende

Im Wirrwarr um die Absetzung der sozialdemokratischen Regierung durch einen Misstrauensantrag im rumänischen Parlament im Oktober wäre eine Randmeldung fast ganz untergetaucht: Ford hat beim Standort in Craiova mit der Produktion des Puma angefangen. Es ist das erste Hybrid-Fahrzeug, das in Rumänien gebaut wird. OK – der Puma hat keine echte Hybrid-Technologie im Sinne eines Elektroantriebs, der für den konventionellen Antrieb einspringt. Aber ein kleiner Elektromotor, dessen Batterie von 48 Volt durch die Bremsenergie aufgeladen wird, kann dem Benzinmotor einen zusätzlichen Schub geben und ihm so zu mehr Effizienz verhelfen.

Doch auch so ist die Bedeutung dieser Entscheidung des US-Konzerns nicht zu unterschätzen, denn der Bau dieses Modells könnte vielleicht einen lange erwarteten Paradigmenwechsel in der rumänischen Automobilindustrie einläuten.

Spezialisten blicken besorgt auf die letzten Zahlen der rumänischen Industrieproduktion und der Exporte: gerade wurde gemeldet, dass die Produktion in der verarbeitenden Industrie im August um fast 15 % gegenüber dem Niveau im Monat Juli eingebrochen ist. Im Vergleich zum August 2018 ist der Rückgang nicht ganz so schlimm, beträgt aber doch 7%. Stiegen bis Mai die Produktionszahlen, so fielen sie ab Juni über diese gesamte Sommerzeit, sowohl zum jeweiligen Vormonat als auch zum selben Monat des Vorjahres. Im August sanken die rumänischen Warenexporte im Vergleich zum Vorjahr um 2,5% auf 5 Milliarden Euro – nach einem Rückgang um 5,5% im Juni (der erste Rückgang seit Juli 2016) und um 0,8% im Juli.

Für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Rumäniens spielt die verarbeitende Industrie eine wesentliche Rolle – allein die Automobilindustrie erwirtschaftet nach Angaben des Branchenverbands ACAROM 14% des BIP und sorgt für mehr als ein Viertel aller Exporte. Die 600 Firmen dieser Industrie haben über 230.000 Mitarbeiter und einen Gesamtumsatz von 28 Milliarden Euro. Doch diese Sparte ist auch besonders eng mit Europa verzahnt und deshalb empfindlich für das, was dort geschieht.

Eine Studie der Ersten Bank vom September bringt nicht gerade ermunternde Nachrichten – die deutsche Automobilindustrie tritt nämlich leiser und die Wirtschaft in Mittel- und Osteuropa (MOE) leidet mit. Die deutsche annualisierte Pkw-Produktion sank im Juni auf 4,7 Millionen (rund eine Million Fahrzeuge weniger als im Jahresdurchschnitt 2015-17) und erreichte damit ein Niveau, das nahe an den Tiefstständen von 2009 liegt.

Die Region MOE ist mit einer Jahresproduktion von rund vier Millionen Fahrzeugen nach Deutschland der zweitgrößte Automobilhersteller der EU. wobei die Automobilbauer und -Zulieferer aus der Region ein wichtiger Bestandteil der globalen Wertschöpfungsketten in der Automobilindustrie, aber insbesondere auch der deutschen Lieferketten sind. Fast jedes vierte in der EU neu produzierte Auto wurde in MOE gefertigt.

Die Zahlen für den Automobilbau in MOE zeigen überdies, dass der Automobilsektor ein echtes Rückgrat vieler Länder der Region ist, so die Erste Bank in ihrer Untersuchung. Etwa 10% der Wertschöpfung und 6-9% der Arbeitsplätze in diesen Volkswirtschaften könnten direkt oder indirekt mit der Automobilherstellung verbunden sein.

Das heißt, dass die Kfz-Industrie in den mittel- und osteuropäischen Ländern besonders auf die Entwicklung der internationalen, besonders der europäischen Automobilmärkte aufpassen müssen. Die Erste Bank hat sich auch diesen Aspekt angeschaut und kommt zu aussagekräftigen Schlüssen. Vergleicht man den aktuellen Einbruch der Automobilproduktion und -verkäufe mit der Situation im Jahr 2009, so ergeben sich zwei wesentliche Unterschiede. Der Einbruch der Automobilproduktion im Jahr 2009 war eindeutig auf einen negativen Nachfrageschock infolge steigender Arbeitslosigkeit, sinkender verfügbarer Einkommen der Haushalte und einer großen Umkehrung des Kreditimpulses zurückzuführen. Im Moment ist jedoch keine Spur davon zu erkennen – die rückläufigen Zahlen seien, so die Experten der Ersten Bank, nicht vollständig von der Konjunktur getrieben.

Vielmehr ginge es um signifikante Veränderungen in der Zusammensetzung des Automobilvertriebs (Rückgang der Dieselantriebe, Zunahme der Elektrofahrzeuge). Rückläufige Pkw-Neuzulassungen in der EU wurden ausschließlich durch die fallende Nachfrage nach Dieselfahrzeugen verursacht, so die Untersuchung. Allein im ersten Halbjahr von 2019 ging die Zulassung neuer Dieselfahrzeuge in der EU um 17% gegenüber dem Vorjahr zurück, nachdem sie schon 2018 im Vergleich zu 2017 um 18% eingebrochen waren.

Für die Zukunft liefert die Erste Bank eine Diagnose, die schwer zu widerlegen – oder zu ignorieren – ist:

Nach der Eskalation des Diesel-Gate-Skandals machten verstärkte Pläne zur Emissionsminderung durch strengere Vorschriften deutlich, dass die Ära der Dieselkraftstoffe vor ihrem Ende steht. Während Dieselmotoren noch nicht vollständig verboten sind, gibt es eine negative Wahrnehmung von Dieselfahrzeugen und eine große Unsicherheit unter potenziellen Käufern, ob sie solche Autos in Zukunft uneingeschränkt nutzen dürfen. Mehrere Länder und Städte haben ehrgeizige Pläne zur Verringerung der Luftverschmutzung verabschiedet, und eine Möglichkeit dazu besteht darin, den Zugang von Dieselkraftstoff in die Stadtgebiete zu beschränken.

Einige Länder gehen einen Schritt weiter und planen, generell den Verkauf von Fahrzeugen mit Verbrennungsantrieb in ein oder zwei Jahrzehnten zu verbieten.

Während die Dieselbranche einbricht, explodierte der Handel mit umweltfreundlichen Autos. Aus der Aufschlüsselung der Automobilverkäufe geht ganz klar hervor, dass das am schnellsten wachsende Segment Hybrid- und Elektrofahrzeuge ist (H&E). In der EU hatten sie im zweiten Quartal von 2019 einen Anteil von etwa 7,5 % (2,4 % bzw. 5,1 %) an den Neuzulassungen. Doch viele Automobilhersteller kommen jedoch mit der Marktlieferung ihrer neuen Elektrofahrzeuge gar nicht nach und die Verbraucher müssen sich auf Wartelisten setzen lassen. Einige Verbraucher verschieben ihren Kauf von EV, bis es eine größere Vielfalt an Modellen zu erschwinglichen Preisen gibt, aus denen sie wählen können, und bis es ein besser entwickeltes Netz von Ladestationen gibt.

Die Studie der Ersten Bank deutet klar darauf hin, dass es in der gesamten Autoindustrie zu gewaltigen strukturellen Veränderungen kommen wird. Auf die Region MOE kommen große Herausforderungen zu und für Rumänien gilt es, den Anschluss nicht zu verpassen. Wie die Industrie im und gleich nach dem Zeitalter der Antriebswende aussehen dürfte, skizziert der Bericht des in Brüssel ansässigen Verbands Transport & Environment (T&E) .

Da immer mehr Elektro-Modelle produziert und auf dem Markt angeboten werden, wird auch die Zahl der in Europa verkauften und produzierten Fahrzeuge steigen. Die Automobilhersteller werden diese Fahrzeuge aktiver verkaufen. Erstens werden sie sich bei der Einhaltung der Vorschriften Anfang der 2020er Jahre auf sie verlassen, aber nach 2024 werden die Elektrofahrzeuge voraussichtlich die Marktreife erreichen, da sie auf die Preisparität mit konventionellen Autos kommen. Bislang investieren die EU-Autohersteller fast 146 Milliarden Euro in Elektroautos und Batterien, und der erfolgreiche Übergang der EU zur Elektromobilität ist zu einer der wichtigsten industriellen Prioritäten geworden.

Es wird erwartet, dass die Zahl der in Europa produzierten Elektrofahrzeuge von rund einer Dreiviertelmillion im Jahr 2019 auf mehr als vier Millionen im Jahr 2025 steigen wird.

Nach den von T&E erhobenen Daten werden Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und das Vereinigte Königreich 2025 zusammen etwa 85% der Elektroautos produzieren, doch ist es die Slowakei, die mit Abstand die dichteste prognostizierte Produktion von EVs in Europa mit 25 pro tausend Einwohner im Jahr 2025 haben wird. Deutschland und Schweden folgen mit 19 bzw. 14 produzierten EVs pro tausend Einwohner, während Belgien, die Tschechische Republik und Frankreich jeweils rund 12 haben. Die Karte zeigt, wo die großen Hersteller in Europa Elektrofahrzeuge produzieren werden – Rumänien kommt da nicht vor.

Ein wichtiger Bestandteil der aufstrebenden Elektrofahrzeugindustrie ist die Batterieherstellung. Auch diesbezüglich gibt es eine Menge Pläne für MOE – Rumänien bleibt aber wiederum außen vor, zeigt die Studie von Transport & Environment. So baut die Firma LG Chem im polnischen Wroclaw die Kapazität von heute 6 GWh auf 70 GWh in den nächsten 2-3 Jahren aus und andere Unternehmen schmieden Pläne für ungarische Standorte: Samsung SDI erweitert in Göd die Kapazität auf 15 GWh in 2020 und SK Innovation (SKI) arbeitet sogar an zwei Werken in Komárom – das eine nimmt 2020 die Produktion auf und soll bis 2022 eine Kapazität von 7.5 GWh erreichen, das zweite soll bis 2021 fertig gebaut werden, wobei über die Kapazität noch nichts bekannt ist, so der Bericht von T&E.

Viel Zeit bleibt der rumänischen Autoindustrie nicht, um sich auf die Wende einzustellen. Zwischen 2019 und 2025 wird hier die Produktion von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren zwar sogar um mehr als 60% zunehmen, prophezeit die Untersuchung von T&E – dann aber trifft die neue Realität wahrscheinlich mit voller Wucht ein.

Alex Gröblacher

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