Überblicke
Ein im Grunde genommen gewöhnliches Bauprojekt – die Sanierung eines Badezimmers – ist in Rumänien eine komplizierte Aufgabe. Wer will, dass jemand das Projekt von A bis Z übernimmt und am Ende schlüsselfertig übergibt, muss lange suchen. Auch größere Bau- und Architekturfirmen können das offenbar schwer stemmen. Sie liefern zumeist nur die Baustoffe und den Zubehör an, die sie den Kunden in eleganten Schauräumen aufwändig loben. Um die Montage muss sich in der Regel dann der Käufer selbst kümmern. Wer Glück hat, bekommt eventuell inoffiziell die Telefonnummer eines Meisters in die Hand gedrückt – die Baufirma würde aber keine Verantwortung für das Ergebnis übernehmen.
Vielen Unternehmen fehlt offenbar die Leitungskompetenz, also Projekte in einzelne Phasen und Prozesse zu trennen und sie so zu strukturieren, dass am Ende ein klares Ergebnis im Raum steht. Bei einem Badezimmer also: alte Kacheln und Fliesen, Möbel, Badewanne, Waschschüssel, Toilette und Heizkörper ausbauen; neue Leitungen (Wasser, Abwasser, Strom)legen; Isolation, neue Kacheln und Fliesen, Wanne, Waschschüssel, Toilette, Heizkörper und Möbel einbauen; zwischendurch Material aufnehmen und am Ende den Bauschutt entsorgen. Jemand muss dabei den Überblick haben – zum Beispiel aufpassen, dass der Fliesenleger die Stromkabel draußen lässt oder dass der neue Schrank richtig vermessen ist und tatsächlich in die Ecke passt. Und dieser Aufpasser – ein Bauleiter eben – müsste jemand sein, der etwas vom Geschäft versteht, nicht der Kunde, im Extremfall vollkommener Laie.
Egal, wie viel man in sein Image als modisch bewusstes Bauunternehmen investiert, wer nur Baustoffe anbietet, ist nur Verkäufer und sollte das auch so vermitteln. (Es kann natürlich auch sein, dass die jeweilige Firma nur neue Projekte übernimmt oder nur Projekte ab einer bestimmten Größe und eine kleine Sanierung zu viel Aufwand im Verhältnis zum Umsatz ist. Aber das kann man auch direkt mitteilen, eventuell schon auf der Homepage).
Problematisch ist aber etwas anderes. Was dem einzelnen Kunden im Kleinen passiert, geht in Rumänien allzu oft auch im Großen vor. Viele Mitarbeiter in Wirtschaft, Verwaltung oder der Gesellschaft insgesamt haben zwar gelernt, gute und sinnvolle einzelne Produkte und Maßnahmen zu entwickeln. Es fehlen aber Leute, die den kompetenten Überblick haben – zum Beispiel Logistiker. Die Autobahn mag noch so schön auf dem Papier aussehen, wenn die Bauarbeiten an einem Abschnitt einzustellen sind, weil niemand an die Geländeenteignungen gedacht hat. Und die Idee, Immobilien je nachdem zu besteuern, ob sie Wirtschafts- oder Wohnzwecken dienen, ist vielleicht an sich gut: Doch wenn dadurch das System der Kommunalsteuern durcheinander gewirbelt wird, lässt man sie vielleicht besser sein.
Wir brauchen mehr Leute, die zwar vielleicht nicht wissen, wie jedes Zahnrad produziert wird, dafür aber genau verstehen, wie sich das Getriebe dreht und welche Kraft wo anzuwenden ist, um ein bestimmtes Resultat zu erreichen.
von Alex Gröblacher
Share
Share