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Ob Wien wieder wegen der Familienbeihilfe schuldig ist?!

Die EU hat vor wenigen Tagen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich wegen der Anpassung der Familienbeihilfe eingeleitet. Selbst der rumänische Außenminister Mele?canu hat sich dafür eingesetzt und gegen die Indexierung „lautstark“ protestiert. Es stehe der EU-Kommission selbstverständlich frei, die Indexierung zu überprüfen. Sofern diese sich nicht von den österreichischen Argumenten überzeugen lasse, liege es schließlich am Europäischen Gerichtshof (EuGH) darüber zu entscheiden, sagte die Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) für orf.at. Ihr Ministerium wies zudem darauf hin, dass jene rumänische Kinder deren Eltern in Österreich arbeiten, weiterhin mehr Geld bekommen würden als jene, deren Eltern in Rumänien tätig sind. Rund 125.000 Kindern sind de facto von einer Kürzung der Familienbeihilfe betroffen. Die meisten von ihnen leben in Ungarn (38.700), der Slowakei (27.180) sowie Polen (14.865) und Rumänien (14.213).

Ohne diese Slowakinnen und Rumäninnen z.B., einige davon Mütter von den Kindern die im Ausland leben und von der Anpassung betroffen sind, würde aber das österreichische Pflegesystem wahrscheinlich zusammenbrechen, denn mehr als 4/5 der 24-Stunden-Betreuerinnen, laut dem Wiener Sozialministerium, stammen aus diesen beiden EU-Staaten. Somit stellt sich die Frage ob vielleicht die Bundesregierung mit dieser Maßnahme nicht die Familienzusammenführung in Österreich unterstützen möchte und somit zum Wohle der betroffenen, von ihren Eltern separat lebenden Kinder, handelt. Die belgische EU Sozial- Kommissarin Marianne Thyssen meint zu Recht: “Es gibt in der EU keine Kinder zweiter Klasse.“ Das österreichische Vorgehen könnte aber in einem breiteren Rahmen, sowohl zeitlich, als auch sozial-politisch besser verstanden werden.

In der Regel wird von einer falschen Annahme ausgegangen, wenn in der rumänischen Presse über die Anpassung der Familienbeihilfe berichtet und nur über das „Recht des Kindes“ im Vordergrund… „arithmetisch” gesprochen wird – dies, weil es sich juristisch eigentlich um… zwei verschiedene Sichtweisen handelt, da die beiden Rechtssysteme eigentlich verschiedenes unter das sog. „Kindergeld“ verstehen!

Darum habe ich Herrn Mag. Milorad Erdelean, rumänischer Staatsbürger und Mitglied der Anwaltskammer in Wien, Kooperationspartner der Kanzlei Mag. Elisabeth Moser-Marzi / Mag. Milorad Erdelean in 1010 Wien, Schwertgasse 3, gebeten den Unterschied zu erklären. RA Mag. Erdelean steht den interessierten Parteien zur Verfügung und beantwortet gerne per e-Mail weitere Fragen (m.erdelean@moser-marzi.at) zum Thema der Anpassung der Familienbeihilfe und selbst rumänische Fernsehsender laden ihn ein die Lage in Österreich für die Betroffenen verständlich zu erklären.

„In Österreich sprechen wir von «Familienbeihilfe» – geregelt im § 2 des Familienlastenausgleichsgesetz 1967 – deren Anspruchsberechtigte die Kindeseltern sind, während in Rumänien eine staatliche Beihilfe für Kinder besteht somit anspruchsberechtigt das Kind ist (Art 3 Abs 2 des Gesetzes

Nr. 61/1993)“, spricht Erdelean ein klares Wort.

Der Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe liegt bei einer Person (u.a. Elternteil) zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person anspruchsberechtigt ist. Der Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nur dann, wenn der Anspruchsberechtigte im österreichischen Bundesgebiet einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Sohin hat der in Österreich lebende Elternteil jedenfalls ein Recht auf Familienbeihilfe, wenn das Kind zu seinem Haushalt gehört. Wenn das Kind nicht bei der in Österreich wohnhaften Person wohnt (u.a. lebt es in Rumänien), hat der Elternteil Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person anspruchsberechtigt ist (z. B. der andere Elternteil).

Die (rumänische) staatliche Kinderbeihilfe wird als staatlicher Schutz für alle Kinder geregelt. Es erhalten staatliche Kinderbeihilfe, alle Kinder unter 18 Jahren. (…) Der Anspruchsberechtigte ist somit nur das Kind. Das Gesetz gewährt dieses Recht auch Kindern von Ausländern jedoch nur, wenn sie in Rumänien, im Haushalt der Eltern, wohnen! Die Personen, an die diese Kinderbeihilfe gewährt wird, sind verpflichtet, jede Änderung der Familie (u.a. Scheidung) oder des Wohnsitzes, die die Einstellung oder Änderung der Kinderbeihilfeansprüche zur Folge haben könnte, innerhalb von 15 Tagen bekanntzugeben, einschließlich damit gemeint wird die Situation, in der rumänische Bürger ihren Wohnsitz (zusammen mit ihren Kindern) in einem anderen Land verlagern.

Im Gegensatz zu Österreich ist die rumänische Beihilfe also ein Kinderrecht, das verloren geht, wenn der Minderjährige nicht mehr in Rumänien lebt. In Österreich ist diese Zulage eine Sozialbeihilfe für die Person, die das Kind unterhält und zwar eine Entschädigung für die zusätzlichen Kosten, die ab der Geburt des Kindes entstehen. In beiden Ländern unterscheidet sich der Anspruch auf die Zulage daher erheblich vom Wohnsitz des Inhabers.

Zwischen den beiden Ländern besteht diesbezüglich somit keine ‚Gegenseitigkeit‘. Österreich gewährt eine (Familien-)Beihilfe, auch wenn Kinder nicht im Land leben. Rumänien macht dieses Recht vom Wohnsitz des Kindes – in Rumänien – abhängig.

Wenn z.B. ein Elternteil mit österreichischer Staatsbürgerschaft (der die staatlichen Beiträge in Rumänien entrichtet und somit zum rumänischen Sozialsystem gehört) in Rumänien arbeitet sein minderjähriges Kind aber in Österreich leben würde, erhält das Kind seitens Rumänien keine Kinderbeihilfe; hingegen könnte dieses Kind Familienbeihilfe in Österreich erhalten, wenn es bei einem Aszendenten leben würde (zum Beispiel bei den Großeltern). Daher würde in diesem Szenario wiederum Österreich diese Last tragen, obwohl die Kindeseltern in Rumänien arbeiten und somit zum Sozialsystem dieses Landes beitragen, erklärt uns RA Erdelean.

A.T.: Betrachten sie die Vorgehensweise der Bundesregierung, die Familienbeihilfe für Kindern mit Wohnsitz ausserhalb Österreichs anzupassen, als gerechtfertigt?

M.E.: Da die Familienbeihilfe indexiert wurde, könnte es auch sein, dass ein Elternteil, der in Österreich arbeitet, eine höhere Beihilfe bekommt, wenn das Kind in einem Land lebt, wo die Lebenserhaltungskosten eben höher sind. Die Familienbeihilfe wird aus dem Familienlastenausgleichsfonds ausbezahlt. Dieser Fond wird durch die Zahlung eines Beitrags von 3,9% des Bruttogehalts jedes Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber gefördert. Daher leistet jeder in Österreich arbeitender, ausländischer Staatsbürger – dies aber nur mittelbar, da dieser Betrag vom Arbeitgeber gezahlt wird – einen Beitrag für diesen Fond.

Wenn das Kind einer in Österreich wohnenden Person in einem Land mit niedrigerer Kaufkraft wohnhaft ist, wird diese Person eine niedrigere österreichische Familienbeihilfe bekommen, als andere Eltern derer Kinder in Österreich wohnhaft sind, auch wenn für beide Personen der gleiche Fondsbeitrag geleistet wurde. Dies könnte somit zu einer Diskriminierung führen sowie zu einem Verstoß gegen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Weiters sieht Art 67 der VO Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vor, dass eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats hat, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden.

Ich glaube, dass Rumänien damit gute Gewinnchancen vor dem EuGH hätte. Bislang hat der Europäische Gerichtshof jeden Versuch abgewehrt, direkt oder indirekt auf den Wohnsitz eines Anspruchsberechtigten bezugnehmende Leistungsdifferenzierungen zuzulassen.

A.T.: Unterstützt die Bundesregierung mit der Familienbeihilfe neu die Familienzusammenführung in Österreich?

M.E.: Im Falle einer Familienzusammenführung erhalten die Eltern eine vollumfängliche Familienbeihilfe solange das Kind seinen Hauptwohnsitz in Österreich hat. Neben der Familienbeihilfe werden weitere Sozialleistungen gewährt: Kinderbetreuungsgeld (staatliche Beihilfe während der Karenz, die bis zu 80% des Letzteinkommens betragen kann), Steuerentlastungen, Kinderbetreuungsbeihilfe, Ermäßigungen für den Transport von und zur Schule sowie Beihilfen für einkommensschwache Familien (Senkung der Kosten für Kindergarten, Schule, Senkung der Kosten für den Kauf von Schreibwaren und Büchern usw.)

Dr. Alex Todericiu

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