Interview mit Rudolf Lukavsky, der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Bukarest: Die österreichische Wirtschaft sieht auch weiterhin großes Wachstumspotential auf dem rumänischen Markt
ID: Österreich ist der zweitgrößte ausländische Investor in der rumänischen Wirtschaft, mit einem Anteil von 16,1%, laut aktuellster verfügbarer Daten. Andererseits decken die österreichischen, deutschen und schweizerischen Investitionen zusammen etwa ein Drittel der gesamten ausländischen Investitionen in Rumänien. Wie ist das Interesse der deutschsprechenden Businessgemeinschaft für den rumänischen Markt zu erklären?
RL: Österreich und Rumänien verbindet eine enge, gemeinsame Geschichte: historisch wie kulturell und seit etwas mehr als zwei Jahrzehnten auch wirtschaftlich. Besonders seit den frühen 2000er Jahren ist das Interesse der österreichischen Wirtschaft an Rumänien stark gewachsen. Mit aktuell 19.5 Mio. Einwohnern ist es sowohl das größte Land Südosteuropas wie auch das wirtschaftlich dynamischste. Zwei von vielen Gründen, die die zwei größten österreichischen Auslandsinvestitionen – die Übernahme von 51% der Petrom durch die OMV und von 94% der Anteile der BCR durch die ERSTE BANK – beeinflusst haben. Aber das ist noch lange nicht alles: Österreichische Firmen sind Marktführer bei Treibstoffen, Banken & Versicherungen, im Transport & Logistiksektor, im Immobiliensektor, bei Baumaterialien, in der Holzverarbeitung, bei Zucker und im Verpackungssektor.
Die österreichische Wirtschaft sieht auch weiterhin großes Wachstumspotential auf dem rumänischen Markt. Zukünftig erwarten wir vor allem Erweiterungsinvestitionen bereits in Rumänien aktiver Firmen, wie aus einer kürzlich durch unser Büro durchgeführten Umfrage unter rumänischen Firmen mit österreichischem Kapital hervorgeht. Die österreichische Wirtschaft bekennt sich klar zum Wirtschaftsstandort Rumänien. In der Vergangenheit war sie immer ein starker und verlässlicher Partner des Landes und ist stolz darauf, auch weiterhin zur Entwicklung des Landes beizutragen.
Unsere Wirtschaftsbeziehungen beschränken sich jedoch nicht nur auf Investitionen sondern fußen auch auf einem intensiven und dynamischen bilateralen Handel: 2015 belief sich dieser auf rund EUR 3,2 Mrd. (+4,2% aufs Vorjahr). Rumänien ist damit unter Österreichs TOP 15 Handelspartnern weltweit und unser wichtigster Partner in der Region Südosteuropa.
ID: Welche Maßnahmen sollten die Behörden, kurzfristig, anwenden (treffen) um das Wachstum der österreichischen Investorenanzahl in Rumänien zu stimulieren? Welche sind die „brennendsten“ Anforderungen des Businessumfelds aus Österreich betreffend den lokalen Markt?
RL: Länder, die sich international als erfolgreiche Investmentdestinationen positioniert haben, haben ein investmentfreundliches Umfeld geschaffen. Kurzfristige Maßnahmen führen dabei allerdings meist nicht zum gewünschten Erfolg, denn Unternehmen, die investieren wollen, denken nicht kurzfristig. Investitionsentscheidungen erfordern langfristige Planung und Strategieentwicklung, die nur bei kalkulierbaren Rahmenbedingungen möglich sind. Dazu brauchen Unternehmen politische Stabilität, Transparenz und Kontinuität bei politischen Entscheidungen, Rechtsstaatlichkeit, den Abbau von Bürokratie und investitionsfreundliche Gesetze. Ebenso wichtig sind aber auch die kontinuierliche Weiterentwicklung und Verbesserung der Infrastruktur, ein förderndes Bildungssystem und die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften. Das sind allesamt Bereiche, die mittel- und langfristige Planung und eine beständige Umsetzung erfordern. Rumänien hat in vielen dieser Bereiche noch Defizite und steht vor einigen Herausforderungen, für die es in der nahen Zukunft die Weichen stellen muss.
Leider wurden in vergangenen Jahren in einigen dieser Bereiche Entscheidungen getroffen, die das Image Rumäniens als Investitionsstandort beeinträchtigt haben wie zum Beispiel im Abfallverwertungssektor, bei erneuerbaren Energien und im Bankenbereich. All diese Beispiele zeigen deutlich, wie ausländische Investitionen von kurzfristigen und teilweise unvorhersehbaren Veränderungen des rumänischen Rechtsrahmens stark betroffen sind. Auch im Bereich Berufsausbildung für Facharbeitskräfte hat Rumänien großen Aufholbedarf. Die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften, und damit meine ich nicht Universitätsabsolventen, sondern Personen, die ein Handwerk erlernt haben, ist in fast allen Branchen weitaus größer als das aktuelle Angebot. In meiner Zeit als Handelsrat der österreichischen Botschaft haben wir daher gemeinsam mit österreichischen Firmen in diesem Bereich zwei Programme in Bukarest o‘SCAR und Klausenburg STAR-T initiiert, um Schüler zu qualifizierten Einzelhandelskaufleuten und Metallarbeitern/Schweißern auszubilden. Ich freue mich, dass das AußenwirtschaftsCenter Bukarest, die Handelsabteilung der österreichischen Botschaft, dadurch einen Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Rumäniens leisten und junge Menschen auf ihrem Karriereweg unterstützen konnte.
ID: Welche sind die interessantesten Märke/Wirtschaftsbranchen in Rumänien aus Sicht der Unternehmen aus Österreich?
RL: Aktuell gibt es in Rumänien mehr als 7.000 Firmen mit österreichischem Kapital, die sich über alle Bereiche – von Produktion bis Dienstleistung, von Agrar über Transport bis Nahrungsmittel – erstrecken. Unser bilateraler Warenhandel floriert und auch der Handel mit Dienstleistungen wächst sehr dynamisch. So kann man denke ich ruhig sagen, dass die österreichische Wirtschaft an einer allgemeinen tieferen wirtschaftlichen Beziehung mit Rumänien Interesse hat, nicht nur in bestimmten Branchen oder Märkten.
Bereiche, in denen ich mir zukünftig eine noch stärkere Vernetzung erwarte sind zum Beispiel der IT Sektor, in dem Rumänien auch in Österreich einen sehr guten Ruf genießt, aber auch in der Engineering- und Designbranche, beispielsweise im Automotivebereich. Hier kann die rumänische Wirtschaft mit Know-How und Erfahrung punkten.
ID: Sie sind der Handelsrat der Österreichischen Botschaft in Rumänien seit 2009. Wie schätzen Sie, dass sich die „Landschaft“ in Rumänien in diesen sieben Jahren geändert hat?
RL: Seitdem ich 2009 nach Rumänien kam, um die Leitung des AußenwirtschaftsCenters Bukarest, der Handelsabteilung der österreichischen Botschaft, zu übernehmen, hat das Land große Veränderungen durchgemacht. Zu Beginn meiner Zeit hier mühte sich Rumänien mit den Folgen der weltweiten Wirtschaftskrise ab, die das Land fest im Griff hatte. Zu lange hat man Reformen vernachlässigt, die notwendig gewesen wären, um das Land auf wirtschaftlich stabile Fundamente zu stellen. Seither hat vor allem in wirtschaftspolitischen Belangen ein Umdenken stattgefunden, hin zur Schaffung eines nachhaltigen Wirtschaftsgefüges, das in den Jahren nach der Krise Rumänien außerordentliche Ergebnisse und Wachstumszahlen beschert hat. Das Land ist offener geworden, hat Schranken abgebaut, wichtige Reformen im Infrastrukturbereich begonnen und ein offenes Investitionsklima geschaffen. Das hat sich ausgezahlt. Dennoch sollte man nicht dem Irrglauben verfallen, damit sei es getan. Auch heute noch gibt es Bereiche, in denen Reformen weitergeführt werden müssen, um auch auf lange Sicht weiterhin erfolgreich zu bleiben, die internationale Wettbewerbsfähigkeit aufrecht zu erhalten und die Attraktivität Rumäniens für ausländische Investoren weiterhin zu steigern.
ID: Welche sind die wichtigsten Projekte welche Sie in der in Rumänien verbrachten Zeitspanne koordiniert haben?
RL: Wenn ich auf die vergangenen sieben Jahre zurückblicke, merke ich erst, wie viel mein Team und ich in dieser Zeit bewegt haben. Eines meiner Highlights hier waren sicherlich die Feierlichkeiten zum 60jährigen Bestehen unseres Büros in Rumänien, die wir im Herbst 2010 mit 10 Veranstaltungen in 10 Tagen begangen haben. Heute noch danke ich meinem Team und allen beteiligten österreichischen Firmen, dass sie mich dabei so tatkräftig unterstützt haben, denn ohne sie wäre dieses Großaufgebot an rot-weiß-roten Events nicht möglich gewesen.
Ein weiterer wichtiger Teil in meinem Wirken hier in Bukarest war sicherlich der Aufbau und der Start der ?coala Comercial? Austriac? din România, kurz o’SCAR, die nach langer Vorbereitung im Schuljahr 2015/16 mit 18 Schülern, die eine Berufsausbildung als Einzelhandelskaufleute erhalten, gestartet ist. Gemeinsam mit 6 österreichischen Unternehmen und einem deutschen haben wir viele Hürden genommen, Unterstützer auf rumänischer Seite gefunden und Überzeugungsarbeit für die Wichtigkeit einer qualifizierten Berufsausbildung geleistet, um dieses zukunftsorientierte Projekt umzusetzen.
Dieses Projekt ist mir persönlich auch deshalb besonders wichtig, da ich es als einen wichtigen Teil meiner Aufgabe als österreichischer Wirtschaftsdelegierter sehe, der österreichischen und rumänischen Wirtschaft eine Plattform zur Stärkung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zu bieten. Dazu zählt natürlich auch die Vernetzung der Community untereinander. In diesem Sinne habe ich über ganz Rumänien hinweg ein breites Netzwerk an Veranstaltungen, den Austrian Business Circles, geschaffen, um österreichische Unternehmen, ihre rumänischen Partner und all jene, die Interesse an der österreichischen Wirtschaft haben, zusammen zu bringen: von Temeswar über Arad, Klausenburg, Hermannstadt und Bukarest bis Chisinau, teilweise auch in Kooperation mit Deutschsprachigen Wirtschaftsklubs sowie ungarischen, italienischen und niederländischen Wirtschaftsvereinigungen.
Einerseits waren das Netzwerktreffen, andererseits Fachveranstaltungen zu aktuellen Themen in den Bereichen Steuer, Recht und Märkte, aber zu Fragen wie CSR und Compliance sowie soziale und sportliche Events wie Schifahren, Eisstockschießen oder Sportschießen.
ID: Mit welchen Herausforderungen wurden Sie hier konfrontiert? Andererseits, welche war die größte berufliche Zufriedenheit an der Leitung der Handelsabteilung der Österreichischen Botschaft in Rumänien?
RL: Meine Zeit in Bukarest, in der ich mich als Wirtschaftsdelegierter um die rumänisch-österreichischen Wirtschaftsbeziehungen kümmern durfte, habe ich sehr genossen. Das liegt sicherlich an den offenherzigen, freundlichen und ideenreichen Personen, mit denen ich hier in Rumänien zu tun hatte, und mit denen es mir eine Freude war, zusammen zu arbeiten. Das möchte ich auch zum Anlass nehmen, um mich bei allen Unterstützern der österreichischen Wirtschaft in Rumänien herzlich für die gute Zusammenarbeit in den vergangenen sieben Jahren, für ihr Vertrauen und ihre tatkräftige Unterstützung unseres Büros bedanken.
Auch das dynamische Wirtschaftsumfeld Rumäniens, in dem es immer wieder etwas Neues zu tun gibt, hat meinen Job hier sehr abwechslungsreich und spannend gestaltet. Diese Dynamik ist allerdings nicht in allen Bereichen immer vorteilhaft: So haben es mir die stetigen Wechsel auf politischer Ebene, in den Ministerien und Behörden nicht immer einfach gemacht, vertrauensvolle Arbeitsbeziehungen aufzubauen, um miteinander die wirtschaftlichen Interessen unserer beiden Ländern kontinuierlich zu unterstützen. Das war sicherlich die größte Herausforderung, der ich mich in Rumänien stellen musste. Aber ich muss auch sagen, dass ich grundsätzlich immer offene Türen für die Anliegen österreichischer Investoren bei rumänischen Behörden gefunden habe.
ID: Welches ist der nächste Schritt in Ihrer Karriere und mit welchen Gedanken verlassen Sie Rumänien?
RL: Nach sieben intensiven, spannenden und erfolgreichen Jahren ist für mich die Zeit gekommen, mich im Sommer aus Bukarest zu verabschieden. Etwas wehmütig aber auch mit Vorfreude auf die neuen Herausforderungen, die mich zukünftig erwarten, werde ich meine Position als Wirtschaftsdelegierter in Rumänien im August 2016 an meinen Nachfolger Herrn Gerd Bommer übergeben. Ich selbst ziehe weiter gen Osten und übernehme im Oktober die Leitung des AußenwirtschaftsCenters Moskau.
Gerade vor dem aktuellen politischen und wirtschaftspolitischen Hintergrund sehe ich einer anspruchsvollen und hochinteressanten Zeit entgegen. Neben der Russischen Föderation bin ich zukünftig auch für wirtschaftliche Belange zwischen der Republik Österreich und den Ländern Armenien, Aserbaidschan, Belarus und Usbekistan zuständig. Das ist eine große Verantwortung, auf die mich meine Zeit in Rumänien sicherlich bestens vorbereitet hat.
ein Interview von Ioan Dornescu
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