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Der Natur ausgeliefert

Wir hatten eingestürzte Brücken, Waldbrände, gewalttätige Demonstrationen, aber die apokalyptischen Bilder des europäischen Sommers kommen in diesem Jahr weitgehend auch aus der Landwirtschaft: im Zentrum und sogar im feuchten Norden des Kontinents, zerbröselte die bislang noch fruchtbare Erde in den Händen der Bauern, und im Süden und Osten verfault das Getreide wegen der heftigen Regenfälle. In Rumänien wechseln Dürre und übermäßige Feuchtigkeit einander ab, und die Schweinepest wütet.

In einem Kommuniqué vom August scheut der Europäische Verband der Obst-und Gemüse Verarbeiter (PROFEL) nicht vor negativen Superlativen zurück: für Landwirte und Verarbeitungsbetriebe in Europa ist die aktuelle Situation die schlimmste der letzten 40 Jahre, sagt die Organisation. Die Gemüseernten sind von extremen Witterungsverhältnissen betroffen; zum dritten Jahr in Folge steht Europa vor einem sehr warmen Sommer und anhaltender Dürre. Viele europäische Agrargebiete leiden seit Anfang Mai unter Regenmangel, wobei in anderen Teilen Europas die Ernten von übermäßigem Regen und starkem Hagel betroffen sind, auf die Anfang Juli Dürre folgte. Der Winter dauerte länger als normal und der Frühling war sehr feucht, was zu Verzögerungen bei der Aussaat führte. Die potenziellen Erträge für eine Reihe von Kulturen wurden durch die späte Aussaat negativ beeinflusst und in vielen Fällen haben sich die Wurzeln der Pflanzen nicht rechtzeitig entwickelt, um das trockene Wetter zu bewältigen, das darauf folgte. PROFEL schätzt, dass es vor diesem Hintergrund extremer Wetterbedingungen in ganz Europa qualitative und quantitative Verluste geben wird. Folglich wird sich das verarbeitende Gewerbe mit einem gravierenden Rohstoffmangel hinsichtlich allen Gemüsekulturen auseinandersetzen. PROFEL weist anschließend auf mehrere konkrete Situationen hin: signifikante Ertragseinbußen von 20-50 Prozent werden bei Erbsen und Bohnen gemeldet. Bei Zwiebeln würden die Verluste zwischen 15 und 50 Prozent liegen. Auch die Ernten bei Zucchini und Spinat sind betroffen, und in einigen Regionen ist die Aussaat für die zweite Ernte von Spinat, Bohnen oder Blumenkohl aufgrund von Trockenheit nicht möglich. Bedenken bestehen auch im Hinblick auf Kulturen, bei denen im Herbst und Winter geerntet wird, wie Kohl oder Lauch – es ist klar, dass der Ernteertrag geringer ausfallen wird.

Nicht nur bei Gemüse, sondern auch bei Getreide werden gravierende Verluste erwartet. Großbritannien, Polen, Frankreich, Dänemark und Deutschland, aber auch Länder außerhalb der Europäischen Union stellen sich auf niedrigere Renditen und Mengen im Vergleich zum Vorjahr ein. Deshalb bitten die Landwirte ihre Regierungen um Hilfe.

Der Deutsche Bauernverband erklärt, dass die Ernte von Wintergetreide früher begonnen habe, was auf die katastrophalen Ausmaße der Auswirkungen der Dürre deute. Im Vergleich zum Durchschnitt der letzten fünf Jahre rechnet der Verband mit geringeren Erträgen: 25 Prozent weniger bei Weizen, 35 Prozent bei Roggen und 24 Prozent weniger bei Raps. Um mit dieser Situation fertig zu werden, fordern die Landwirte eine Milliarde Euro Hilfe vom Staat. Die Bundesregierung sagt jedoch nur 340 Millionen Euro zu – die Hälfte der amtlich berechneten Ernteeinbußen. Acht Bundesländer hatten zuvor der Bundesregierung in Berlin einen Gesamtdürreschaden von fast 3 Milliarden Euro gemeldet.

Auch die Verluste im dänischen Agrarsektor lassen sich durchaus sehen: sie könnten sich auf über 1,1 Milliarden Euro summieren und damit so hoch ausfallen wie seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr, wie das Forschungsinstitut Seges des dänischen Landwirtschafts- und Lebensmittelrats mitteilte. Etwa drei Viertel davon gingen allein auf die Trockenheit zurück.

Die Situation ist auch in Rumänien schwierig, vor allem, wenn man sich die Zahl der potenziell betroffenen Personen anschaut – obwohl der Agrarsektor 2017 zum Gesamtwachstum der rumänischen Wirtschaft von 6,9% nur einen Beitrag von 0,7 Prozentpunkten geleistet hat, war der Anteil der in der Landwirtschaft beschäftigten Bevölkerung mit 24% – fast einem Viertel – der größte in der EU. Zum Vergleich: der EU-Durchschnitt liegt bei nur knapp 4,5 Prozent.

Die Ernten werden im Vergleich zum letzten Jahr laut Lauren?iu Baciu, Präsident der Liga der Verbände von Agrarerzeugern aus Rumänien (LAPAR), bescheidener sein. Er sprach nach einem Bericht von Agerpres über 20% weniger bei Weizen, wobei die Möglichkeit deutlich schwächerer Ernten besteht – um so länger die Erntearbeiten durch Wasser auf dem Feld verzögert wird, um so höher die Verluste. Die Raps-Produktion soll laut Baciu im Vergleich zum Vorjahr mindestens 50% verloren haben.

Die schlechten Nachrichten für Rumänien machen aber nicht vor der Landwirtschaft Halt. Sie kamen in diesem Sommer auch aus der Tierzucht, die von einer Epidemie der afrikanischen Schweinepest (ASF) getroffen wurde . Die Krankheit ist nicht gefährlich für Menschen, aber gegen sie gibt es keine Behandlung oder Impfung, so dass die sozialen und wirtschaftlichen Folgen in den betroffenen Gebieten relativ gravierend sind. Bis Redaktionsschluss gehen die Behörden von über 725 Seuchenherden aus; betroffen seien rund 150 Orte in zehn Kreisen im Nordwesten und Südosten von Rumänien. Um die Epidemie unter Kontrolle zu halten, wurden über 170 Tausend Schweine getötet, die Entschädigungsansprüche belaufen sich auf etwa 3,6 Millionen Lei. Betroffen ist nun auch die zweitgrößte Schweinefarm Europas in Br?ila, wo jetzt 140 Tausend Tiere getötet werden müssen.

Die Seuche sorgte bereits für politische Spannungen – die Opposition wirft der Regierung vor, nicht genug getan zu haben, um die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. Aber es kam auch zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Produzenten und Handelsketten. In einer Erklärung behauptet der Berufsverband Pro Agro, der Erzeuger aus der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie zusammenbringt, dass die meisten Einzelhändler zunehmend Fleisch aus anderen Ländern der EU und weniger Fleisch aus Rumänien beziehen. Ihr Ziel sei es, durch Dumpingpreise mehr Druck auf die Schweinezüchter auszuüben. Pro Agro glaubt, dass der von dem großen Handelsketten vorgeschobene Grund – der Einbruch der Nachfrage auf dem rumänischen Markt – nicht gerechtfertigt sei und klagt über die Absicht, durch die fehlenden Bestellungen und den Import großer Mengen von Fleisch aus anderen Staaten für Panik unter den Fleischproduzenten zu sorgen. Der Verband ruft die Einzelhändler auf, sich zu rumänischem Fleisch und Fleischprodukten umzuorientieren und in diesen schwierigen Zeiten die Schweinefleisch-Lieferketten zu unterstützen. Einzelhändler könne man zwar nicht zum Kauf zwingen können, aber der Verband will, dass das lose verkaufte rumänische Fleisch am Regal vom ausländischen Fleisch differenziert wird und dem Verbraucher die Wahl überlassen wird.

Die Trockenheit, die starken Regenfälle und die Schweinepest könnten zu Teuerungen und zu höheren Importen führen. Bereits in der ersten Hälfte dieses Jahres importierte Rumänien Lebensmittel von 3,3 Milliarden Euro – so viel wie noch nie seit 1989 und doppelt so viel wie vor zehn Jahren, also im ersten Halbjahr von 2008. Laut Daten, die das INS neulich veröffentlichte, lagen die Exporte von Agrar-und Lebensmittelerzeugnissen aus Rumänien in der ersten Hälfte des Jahres bei nur 2,2 Milliarden Euro, so dass im Ergebnis ein Defizit von über einer Milliarde Euro klaffte – ein historischer Rekord. Doch obwohl die Maisernte einigermaßen normal ausfallen wird, glauben Experten, dass der Ausbruch der Schweinepest sich negativ auf die Exporte von Weizen und Mais auswirken wird.

Die Europäische Union reagiert bereits auf die Situation der Landwirte. Der europäische Landwirtschaftskommissar Phil Hogan erklärte sich „sehr beunruhigt über diese anhaltenden klimatischen Entwicklungen”. Er habe deshalb bereits mit Ministern aus den betroffenen Ländern Kontakt aufgenommen, um über die aktuelle Situation und die Einschätzungen der Auswirkungen zu diskutieren. Die Kommission hat bereits einige Instrumente aktiviert.

Die Landwirte können die ihnen zustehenden Direktzahlungen und Zahlungen für die ländliche Entwicklung als Vorschuss erhalten. Zudem wird ihnen mehr Flexibilität eingeräumt, um auf Flächen, die normalerweise nicht für die Erzeugung genutzt würden, Futter für ihre Tiere anzubauen, informierte die Europäische Kommission.

In Brüssel wurden zwei spezifische Entscheidungen getroffen, die den Landwirten bei der Bewältigung der Dürre helfen sollen: Landwirte können einerseits bis zu 70 % ihrer Direktzahlungen und bis zu 85 % der Zahlungen für die ländliche Entwicklung bereits ab Mitte Oktober 2018 erhalten, anstatt erst im Dezember, um ihre Liquidität zu verbessern; andererseits erlaubt die Kommission Ausnahmen von bestimmten Ökologisierungsanforderungen. Brachliegendes Land darf somit zur Erzeugung von Tierfutter genutzt werden. Nach den geltenden Vorschriften für staatliche Beihilfen in der Landwirtschaft können unter bestimmten Bedingungen Hilfen von bis zu 80 % der dürrebedingten Schäden gezahlt werden. Der Kauf von Futter kann zudem für eine staatliche Beihilfe infrage kommen.

Staaten können Entschädigungs-zahlungen auch ohne vorherige Mitteilung an die Kommission gewährt werden – dabei geht es über einen Zeitraum von drei Jahren um Beihilfen von bis zu 15.000 Euro pro Landwirt.

Dazu kommen Instrumente aus dem Bereich der ländlichen Entwicklung: Wird die Dürre in einem Mitgliedstaat als „Naturkatastrophe“ anerkannt, kann für die Wiederherstellung des durch die Dürre geschädigten landwirtschaftlichen Produktionspotenzials Unterstützung in Höhe von bis zu 100 % gezahlt werden. Dieses Geld kann beispielsweise für Investitionen wie die Neuansaat von Weideflächen verwendet werden, wobei die Maßnahme auch rückwirkend aktiviert werden kann.

Landwirte, die einen Einkommensverlust von mehr als 30 % ihres durchschnittlichen Jahreseinkommens erleiden, sollen einen finanziellen Ausgleich bekommen. Die Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, ihr Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums einmal jährlich zu ändern, um eine der genannten Maßnahmen in das Programm aufzunehmen.

Alex Gröblacher

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