Staat und Partei treten in diplomatische Fettnäpfchen
Etwas ist fundamental krank an den Machtverhältnissen im rumänischen Politikbetrieb. Eine parlamentarische Mehrheit, die fähig war, ein Paket umstrittener Reformen des Justizsystems mit rasender Geschwindigkeit gegen einen massiven Außen- und Innendruck durchzuboxen, schafft es zum zweiten Mal in etwas mehr als einem Jahr, ihre eigene Regierung zu stürzen.
Im Juni 2017 scheiterte Sorin Grindeanu an einem Misstrauensantrag, den die Mehrheit gegen das Kabinett eingereicht hatte. Ein halbes Jahr später wurde Mihai Tudose durch die Entziehung des politischen Rückhalts in einer Krisensitzung seiner Parteiführung praktisch zum Rücktritt gezwungen, um wahrscheinlich der peinlichen Erfahrung seines Vorgängers zu entgehen.
Das Problem wäre nicht etwa, dass zwei brillante Profis auf dem Altar der Parteiinteressen geopfert wurden. Beide waren Politiker mit eher bescheidenem Profil. Das Problem ist, dass einige Politiker versuchen zu erklären, wie die Regierung unter aller Kritik war und die Minister versagten, um in der nächsten Sekunde die gleichen Mitglieder der gerade entlassenen Regierung für bemerkenswerte Ergebnisse zu loben. Oder behaupten, dass ein Premierminister zwar Chef der Regierung ist, aber im Kabinett nicht für Ordnung sorgen darf, weil die Regierung der Partei gehört und die Partei entscheidet. Solche Denkpirouetten machen die Glaubwürdigkeit kaputt – und nicht nur für die beteiligten Parteien, deren Zustimmungswerte sowieso am Boden liegen, sondern für Rumänien als Staat.
Es gibt wohl keine ausdrucksvollen Bilder für das Ergebnis der Gleichgültigkeit der Machtriege gegenüber ihrem Land als jene des japanischen Premierministers, Shinzo Abe, der vor den Kopf gestoßen durch das Dorfmuseum in Bukarest wandern musste. Obwohl der Besuch in Bukarest – ein historischer, der erste eines japanischen Regierungschefs überhaupt – seit längerer Zeit geplant war, konnte die stärkste Regierungspartei nicht einmal einen weiteren Tag geduldig warten und beraubte Abe eines Gegenparts auf der Regierungsebene. Ein schwerer diplomatischer Fauxpas, der just gegenüber einem Land begangen wird, das viel Wert auf Höflichkeit, Zeremonie und Details legt.
Die internationale Presse war amüsiert, aber das Image Rumäniens erlitt Schaden.
Doch das Modell der doppelköpfigen Regierungsmacht, wobei der eine Pol der offiziellen Macht beim Hauptquartier der Regierung am Siegesplatz liegt, und der andere Pol der tatsächlichen Macht bei der Partei, ist nicht nur aus der Perspektive diplomatischer Pannen schädlich, so ernst und unangenehm sie auch sein mögen. Nach den Episoden Grindeanu und Tudose darf jeder, der sich mit dem Chef der rumänischen Regierung trifft, fundierte Zweifel am Gewicht eines Engagements rumänischer Premierminister anmelden, wenn die Partei ja letztendlich das Sagen hat.
In weniger als einem Jahr, am 1. Januar 2019, übernimmt Rumänien turnusmäßig die EU-Ratspräsidentschaft. Es wird eine Zeit mit komplizierten Themen sein (darunter der Brexit), in der wahrscheinlich viele Treffen der Regierungsvertreter in Bukarest stattfinden werden. Vielleicht schaffen wir es, zu vermeiden, dass Minister der EU-Länder gemächlich durch das Dorfmuseum spazieren, weil gerade wieder ein Kabinett abserviert wurde. Obwohl es Shinzo Abe wahrscheinlich dort gefallen hat.
von Alex Gröblacher
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