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Es wäre nicht schlecht, wenn es gut wird

Wenn es uns so gut geht, warum geht es uns dann doch so schlecht? Diese Frage ist mir schon auf erstem Blick auf einem Buchdeckel eines auf der Gaudeamus-Buchmesse vor kurzem präsentierten Buches, ins Auge gefallen. Die betreffende Frage ist eigentlich das Motto des Buches der Autorin Cristina Vasiloiu, die uns provoziert, einen kritischen Blick ins „Labyrinth der Union“ zu werfen. Die Herausforderung der oben erwähnten Autorin durchleben wir tatsächlich seit 10 Jahren. Mir hat die Idee des Buches gefallen, das heißt der Versuch eines „Fadens der Ariadne“ in einem Labyrinth, der bisher bestentwickelten Bürokratie in der Welt zu versuchen (sie sagt das mit der Überzeugung, dass es außerirdische Gesellschaften, vielleicht sogar außerirdische Bürokratien gibt, aber bis zu einem Treffen mit anderen Zivilisationen kümmern wir uns um unser irdisches Dasein).

Der administrative Kern der Europäischen Union ist ein wahres institutionelles Dickicht. Ich sage Dickicht, weil eine der Bedeutungen dieses Wortes gemäß dem rumänischen Duden, „schwer zu durchdringendes Gebüsch“ ist, und die europäische Verwaltung ist genau das, eine riesige Menschen- und Interessenmasse, Büros und Sitzungsräume, Wege, Flure und Kreuzungen, Methoden, Politiken und Maßnahmen, Richtlinien und Gesetze, die schwer zu verstehen und schwer zu durchblicken sind. Und die Anzahl der europäischen Posten und Beamten wird sogar durch die Anzahl der Instrumente, Firmen und Personen, die das bürokratische Labyrinth in ein dichtes und verwirrendes Gewebe der „Lobby-Industrie“ verkleiden, verdoppelt. Über die Europäische Union und ihre Hyperbürokratisierung kann man viel sagen, aber wie kann man dann durch die zahlreichen Kritiken und positiven Wertschätzungen durchblicken?

Seit 10 Jahren lebt, arbeitet, zahlt, kassiert, wird es geboren und stirbt Rumänien innerhalb der Europäischen Union. Die rumänische Bürokratie, die vom überzentralisierten kommunistischen Regime geerbt wurde, wird mit der systemischen Bürokratie des europäischen Kolosses ergänzt. Das Paket von Gesetzen, das vom rumänischen Parlament nach unserem eigenen Bild entworfen wird, wird mit Hunderttausenden von Seiten von Verordnungen, Richtlinien und Empfehlungen des bürokratischen europäischen Oktopus ergänzt. Aus Sicht der rumänischen Erfahrung der letzten 10 Jahre nach der Integration, ist die Europäischen Union, gemäß der sehr plastischen Ausdrucksweise Gilda Laz?rs (Corporate Affairs Director bei JTI, ehemalige Journalistin), „wie die rumänische Grammatik: weist eine Reihe von strengen Regeln und viele Ausnahmen auf“. Aus den Ausnahmen haben wir Rumänen eine Kunst gemacht. Auf die Ausnahmen haben wir auch die Überbürokratisierung der Gesellschaft gebaut.

Das Motto, das mir im oben genannten Buch aufgefallen ist, hat mir aus zwei Gründen gefallen: Der erste Grund ist, dass es mich an einen anderen Satz erinnert hat, der das Management einer Firma, für die ich früher gearbeitet habe, definiert hat. Mehr oder weniger als Scherz gemeint, begannen und endeten die Sitzungen des Vorstandes immer mit demselben Spruch: „Es wäre nicht schlecht, wenn es gut wäre“. Alle Probleme, alle Krisen der Firma, alle Situationen, die eine Lösung erforderten, fanden anscheinend die Lösung gleich mit dem Ausdrücken dieses spielerischen Urteiles. Der zweite Grund ist, dass die betreffende Frage tatsächlich das Drama der rumänischen Gesellschaft darstellt: Warum sind wir so arm, wenn wir tatsächlich so Vieles gewonnen haben?

Warum fühlen wir uns so gut? Weil wir nicht mehr offen marginalisiert werden, weil wir „drin“ sind, ohne „draußen“ zu sein, obwohl wir an der Grenze geblieben sind, weil uns der „Europäer“-Status anerkannt wurde? Tatsächlich hat die Gesellschaft als Ganzes in den vergangenen 10 Jahren unbestreitbare Fortschritte gemacht. Warum geht es uns dann so schlecht? Denn, obwohl die Gesellschaft viel aus den erzielten Fortschritten gewonnen hat, hat sie gleichzeitig paradoxerweise tausendfach verloren: sie hat Geld verloren, sie hat Kulturerbe verloren, sie hat Bildung verloren, sie hat Charakter verloren, sie hat Menschen verloren, Anstand und vor allem enorm viel Zeit. Es geht uns so schlimm weil Rumänen, individuell betrachtet, die ärmsten Europäer bleiben; denn im Vergleich zu unseren Bestrebungen sind die Fortschritte der Gesellschaft viel zu gering, weil wir wegen den Löchern im Asphalt das Himmelblau nicht mehr sehen können, weil die Unsitten der Vergangenheit immer noch die Laster der Gegenwart sind.

Zehn Jahre in der Europäischen Union bedeutet nicht unbedingt, dass wir die Bilanz der letzten zehn Jahre machen müssen; ich denke, das bedeutet vor allem eine sehr gute Gelegenheit, uns zu fragen, in was für einer

Europäischen Union wir in den nächsten 10 Jahren leben werden. Wenn wir nach 10 Jahren nach wie vor das ärmste Land der Union geblieben sind, was können wir tun, um in den nächsten 10 Jahren reicher zu sein? Reicher an Geld, Kulturerbe, Bildung, Charakter und Menschen, reicher an verbrauchter Zeit, reicher an jungen Menschen.

Wie genau wird die Europäische Union in den nächsten zehn Jahren, die wir gemeinsam durchmachen werden, aussehen? Es wäre nicht schlecht, wenn es uns viel besser ginge, aber es sollte uns gut gehen, ohne dass es uns so schlecht geht!

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