
Rumäniens Kartellamt mahlt langsam, aber sicher
In Rumänien gilt der Kampf gegen Korruption als in gute Hände gelegt. Partner im Ausland und Alliierte loben insbesondere die Antikorruptionsbehörde DNA für die Konsequenz, mit der sie gegen Hunderte Politiker und Beamte wegen Bestechung und Einflusshandel ermittelt und – in der Regel – auch Schuldsprüche erwirkt. Aber während bei der Korruption an der Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft die Verhältnisse weitgehend klar sind, liegt die Korruption in der Wirtschaft oft in einem Graubereich.
Zu den wichtigsten Akteuren, die sich mit Korruption in der Wirtschaft befassen, gehört der Wettbewerbsrat, zu dessen Aufgaben nicht nur die klassische Prüfung von Mergers und Übernahmen zur Verhinderung der Entstehung einer dominanten Marktposition zählt, sondern auch die Untersuchung möglicher konkreter Betrugsfälle – zum Beispiel bei der Auftragsvergabe in Beschaffungsverfahren. Relevant aus der Perspektive dieser Behörde ist bei Fällen von Ausschreibungsbetrug jedoch mehr das allgemeine Interesse einer auf fairen Wettbewerb basierenden Marktwirtschaft und weniger der unmittelbare Schaden für die öffentlichen Etats, wie das bei DNA- Ermittlungen passiert. Allerdings sind die Untersuchungsergebnisse des Wettbewerbsrates oft auch direkt für die Verbraucher wichtig, da wettbewerbsschädigende Praktiken direkt den Preis beeinflussen, zu dem sie Waren oder Dienstleistungen kaufen.
Die Konstellationen sind aber in den Fällen, mit denen die Wettbewerbsbehörde zu tun hat, zum Teil komplizierter und schwerer nachvollziehbar als in strafrechtlichen Fällen.
Ein gutes Beispiel ist eine der frischeren Entscheidungen des Kartellamts.
Der Wettbewerbsrat hat gleich an den ersten Tag des Jahres sechs große Unternehmen mit mehr als 73 Millionen Lei (etwa 15,8 Millionen Euro) bestraft, da sie wettbewerbswidrige Absprachen im Handel mit Stromzählern und zugehörigen Ausrüstungen getroffen hätten. Hinter dieser eher trockenen Schlagzeile stecken aber kompliziertere Umstände.
Die Strafen reichten von über einer halben Million Lei für ECRO bis rund 27,5 Millionen Lei für Landis + Gyr. EnergoBit muss mehr als 13 Millionen Lei zahlen, Elster Rometrics wurde mit mehr als 11 Millionen Lei belegt, Electromagnetica und Electrica wurden mit jeweils mehr als 10 Millionen Lei bestraft.
Die Ermittlung ist schon älteren Datums, sie wurde bereits im September 2015 eingeleitet. Der Wettbewerbsrat kam dabei zum Schluss, dass fünf Unternehmen – AEM, EnergoBit, Elster Rometrics, Landis + Gyr und ECRO – sich an einer Vereinbarung über die Aufteilung öffentlicher Ausschreibungen beteiligten, die von Betreibern von Stromverteilungsnetzen wie EON, Enel und CEZ organisiert waren.
In der Mitteilung zur Untersuchung behauptet der Wettbewerbsrat, dass die fünf Unternehmen „vereinbart haben, auf welche Weise sie an den Auktionen teilnehmen würden, um sich nicht zu überlappen und jeder Teilnehmer mit minimalem Aufwand Verträge zur Anlieferung der betreffenden Geräte gewinnt. Die Auswirkung der wettbewerbswidrigen Vereinbarungen führte zu einem künstlichen Anstieg der Beschaffungspreise für die Geräte, die dann an die Endverbraucher über die Stromrechnungen weitergegeben wurden.”
Die Ermittlung des Wettbewerbsrates zeigt auch, dass dieses Verhalten eher repetitiv war – die Unternehmen haben auf diese Weise über einen Zeitraum von fast sieben Jahren gehandelt, vom 27. November 2008 bis zum 30. September 2015 und in dieser Zeit zahlreiche Ausschreibungsverfahren abgesprochen.
Im Verlauf der gleichen Ermittlung kam das Kartellamt auch zum Ergebnis, dass zwischen AEM und Electromagnetica eine Vereinbarung bestand, die Ausschreibungen der Stromverteilungsfilialen Electrica Muntenia Nord bzw. Electrica Transilvania Sud für die Vergabe der Aufträge zur Modernisierung der Stromzählung in Wohngebäuden im Einzugsbereich der jeweilige Filialen im Zeitraum 22. Oktober 2010 – 27. Juli 2012 untereinander aufzuteilen.
Ein aufmerksamer Blick zeigt, dass auf der Liste der bestraften Firmen gerade das Unternehmen AEM fehlt, von dem es auch in der Mitteilung des Rates heißt, dass es an zwei Absprachen beteiligt war. Der Grund dafür ist, dass nach Angaben der Behörde, die Firma AEM sich einer Kronzeugenregelung bedient habe und Beweise für die wettbewerbswidrigen Handlungen lieferte, wofür der Firma die Geldstrafe erlassen wurde. Unternehmen, die sich als Whistleblower verhalten, können eine mildere Behandlung erfahren, obwohl sie selbst an den Kartellen beteiligt waren, wenn sie zur Erkennung und Bestrafung der illegalen Praktiken mit den Behörden zusammenarbeiten. Der Wettbewerbsrat ermutigt übrigens auch ausdrücklich Unternehmen, die an solchen Absprachen beteiligt sind, sich an die Behörden zu wenden, ihre Beteiligung an der Verletzung der Wettbewerbsregeln offenzulegen und Beweise für das Kartell zu erbringen. Dafür stellt der Wettbewerbsrat hohe Strafrabatte oder sogar volle Straffreiheit in Aussicht.
Was aber auf den ersten Blick aus Sicht des Staates eindeutig erscheint, stellt sich aus der Perspektive der beteiligten Akteure differenzierter dar.
Eines der bestraften Unternehmen, EnergoBit, bestreitet beispielsweise vehement die Methoden des Wettbewerbsrats und wie die von AEM bereitgestellten Informationen bewertet wurden. In einer Erklärung zeigt das Unternehmen auf, dass es sich als unschuldig sieht und die Strafe gerichtlich anfechten werde. Die Firma habe der Wettbewerbsbehörde alle beantragten Informationen und Erklärungen zur Verfügung gestellt, doch in seiner Bewertung habe der Wettbewerbsrat nicht die spezifischen Umstände des Marktes für Stromzähler und zugehörige Ausrüstungen in Rumänien berücksichtigt. Die höchst anspruchsvolle Technologie und die Komplexität der von den Stromverteilungsunternehmen beantragten Projekte, die einschließlich der Wettbewerbsrat in seinem Bericht erwähnte, haben auf natürliche Weise zu Situationen geführt, in denen nur bestimmte Produkte den technischen Anforderungen gerecht wurden und so Assoziierungen zwischen Marktteilnehmern erforderlich gemacht haben.
Die aufgrund der Lastenhefte sachlich fundierten Verbundsteilnahmen an den Ausschreibungen seien perfekt legal.
Obwohl EnergoBit bei der Ermittlung zahlreiche Argumente zur Rechtfertigung der Teilnahme an Assoziierungen liefertet, habe der Wettbewerbsrat diese abgelehnt und sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die Firma an wettbewerbswidrigen Absprachen zur Aufteilung des Marktes beteiligt war, so EnergoBit in einer Mitteilung.
EnergoBit zufolge sei die Ermittlung ohne klare Beweise für wettbewerbswidriges Verhalten geführt worden, sondern allein auf der Grundlage bloßer Aussagen von AEM, die somit straffrei ausgegangen ist – dabei sei AEM der Marktführer für Stromzähler und zugehörige Geräte in Rumänien, mit einem Marktanteil von ca. 70%.
Die Firma zeigte sich überrascht, dass die Wettbewerbsbehörde akzeptiert, was sie als einfache Aussagen und Erinnerungen von AEM-Vertretern bezeichnet, und diese als Beweise für ein angeblich wettbewerbswidriges Verhalten bewertet.
EnergoBit kommt zum Schluss, dass AEM eigentlich versucht habe, die Angebotsfähigkeit anderer Wettbewerber zu begrenzen und so seine Konkurrenten zu beseitigen.
Auch die Rolle der Electrica, die die Ausschreibungen zur Beschaffung von Messgeräten organisierte, ist nicht unumstritten. Bestimmte Mitarbeiter von Electrica, so der Wettbewerbsrat, waren an der Umsetzung dieser Absprachen beteiligt. Sie hätten sich mit den Unternehmen bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen abgestimmt und so den Austausch von empfindlichen Geschäftsinformationen erleichtert.
Doch das Unternehmen erklärt, dass an den vom Wettbewerbsrat festgestellten Tatsachen Personen beteiligt waren, die weder Vertretungvollmacht besaßen, noch im Auftrag der Firma gehandelt haben sollen. Electrica habe interne Untersuchungen veranlasst und werde die notwendigen rechtlichen Maßnahmen ergreifen. Das Unternehmen praktiziere Null Toleranz bei Verstößen gegen geltende Gesetze, einschließlich gegen Vorschriften des Wettbewerbsrechts. Darüber hinaus habe Electrica über die gesetzliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit dem Wettbewerbsrat hinaus an der Untersuchung mitgewirkt.
Obwohl es also nur um bestimmte Mitarbeiter gegangen sei, die eigenverantwortlich gehandelt haben, und Electrica mit den Behörden kooperiert habe, sei die Firma der Geldstrafe nicht entgangen und werde sie vor Gericht anfechten – so wie es auch andere, vom Wettbewerbsrat bestrafte Unternehmen tun werden.
Die Untersuchung des Wettbewerbsrats wird wahrscheinlich auch weitere Folgen haben. Der Rat habe an die zuständigen Behörden – zum Beispiel an die Staatsanwaltschaft – Informationen zu den festgestellten Umständen weitergeleitet. Der Rat aber weist jedoch darauf hin, dass Unternehmen für die Handlungen ihrer Mitarbeiter haften und Praktiken dieser Art eine der gravierendsten Einschränkungen des Wettbewerbs darstellen. Sie führen auch Schäden auf der Seite der Verbraucher, die für den Kauf von Produkten oder Dienstleistungen mehr bezahlen.
Der Wettbewerbsrat empfahl deshalb der Energieregulierungsbehörde ANRE zu prüfen, in welchem Maße die aufgrund des Kartells entstandenen höheren Preise sich auf die Verbrauchertarife ausgewirkt haben.
von Alex Gröblacher
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