
Welche Rollen spielen Sie? Die Firma als Spielwiese und Bühne
Wir alle kennen die Metapher einer Spielwiese oder Bühne. Manchmal sagen wir etwas lapidar: „Das Leben ist ein Spiel“, aber wir forschen selten weiter. Wenn es denn nun so wäre? In der hinduistischen Tradition wird das Leben als großes Spiel gesehen, deren Zweck darin besteht, sich als Mensch zu erfahren, also nicht nur in den angenehmen Dingen, sondern auch solchen, die uns weh tun. Ein Spiel zu gewinnen, fällt uns leicht, aber eine Niederlage nagt am Selbstvertrauen. In unserer rationalen und linearen Welt, die wir uns übrigens selbst geschaffen haben, wird alles hinterfragt, analysiert und strukturiert, mit einem Label versehen. Das was nicht erklärbar ist, gibt es für viele erst einmal nicht. Genauso hat die Wissenschaft über Jahrhunderte Schritt für Schritt das Unerklärbare erklärbar gemacht und uns damit suggeriert, dass nur etwas wahr ist, was auch bewiesen ist.
Wir können auf die Wissenschaft warten, oder gleich auf unser intuitives Wissen vertrauen. In den letzten Beiträgen haben wir zum Beispiel von der Herzkommunikation gehört, auch von der Intuition und der Stärke des Beobachtens. Gehen wir nun einen Schritt weiter und nehmen einmal an, das jeder von uns in seinem Leben zu bestimmten Erkenntnissen mit dazugehörenden Lernaufgaben gelangen „soll“, bei denen es Begriffe wie „positiv“ oder „negativ“ nicht gibt. Jemand, der einen Herzinfakt bekommt, ändert nicht selten sein Leben total und gelangt zu Gelassenheit und neuer Lebensfreude; eine Scheidung oder die Entlassung aus dem Job kann Aufforderung dafür sein, mehr auf seine innere Stimme zu hören und Selbstvertrauen zu entwickeln. Für derartige Erfahrungen gibt es kaum ein besseres Bild als das der Spielwiese oder Bühne, auf der wir das Leben durch Interaktion mit anderen Menschen und durch besondere Lebensumstände erfahren. Jeder von uns macht da im Grunde mit, ohne es zu wissen. Schauen Sie selbst mal genau hin, wie Sie sich jeden Morgen auf diese Bühne vorbereiten: Kleidung, Accessoires, Auftreten, Frisur, der letzte Blick in den Spiegel vorm Verlassen des Hauses oder des Aufzuges. Sie spielen schon so perfekt mit, dass Sie sich dessen gar nicht mehr bewusst sind. Was spielen Sie denn?
Ich habe eine Liste von 27 Rollen zusammen gestellt, die ich in meiner 25 jährigen Tätigkeit auf vielen Spielwiesen studieren konnte. Es geht hierbei nicht so sehr um Positionen im Job, sondern um archetypische Rollen, die uns in unserem Leben generell begleiten wie die der Mutter, des Künstlers, des Denkers, etc. Schauen Sie sich die Liste einmal an; es geht wohlgemerkt nicht um Positionen in der Firma, allerdings werden Sie schnell erkennen, welche Rollen zu bestimmten Positionen am besten „passen“:
Clown: Schlüpft in viele Rollen, macht sich lustig, ohne selbst in Gefahr zu kommen
Herrscher: der König, die distanziert über allem stehende Führungsperson, unnahbar
der/die Stolze: Von sich überzeugt, sehr marken- und körperbetont, ohne mich geht nix.
Mutter: Probleme anderer lösen, Schutz von Kollegen; vergisst oft eigene Probleme
Spieler: Mag es, mit Menschen, Geld und Projekten zu spielen, Börsenspekulant z.B.
Friedenstifter: Bietet sich als Konfliktlöser an, bringt streitende Parteien zusammen
Krieger: Neue Märkte erobern, keine Angst vor Herausforderungen, Kämpfen
Harmoniesucher: Möchte keinen Streit, geht Konflikten aus dem Weg, träumt von besserer Welt
Bedenkenträger: Überall sind Probleme und Sorgen, kommt kaum ins Handeln
Politiker: Geschickter Kommunikator, weiss, wie man etwas sagen muss, redegewandt
Richter: Urteilt, entscheidet über richtig und falsch, meistens sehr normativ
Manipulator: Versteht es, andere für etwas zu gewinnen, meist diskret hinter den Kulissen
Held: Mag es, unmögliches zu erreichen, Referenz für andere zu sein
Polizist: Schützer von Werten und Prinzipien, greift ein, wenn sie bedroht sind
Weise: Steht über den Dingen, hat einen weisen Standpunkt, hat den Überglick, Berater
Zuhörer: Hört anderen gerne zu, ohne seine eigene Meinung zu sagen, der Versteher
Zweifler: Ja, nein, ich weiss nicht. Kann sich nicht entscheiden
Leistungsbringer: Mag es, zu „performen“, andere auszustechen, der beste zu sein
Geschichtenerzähler: Schütten andere mit Geschichten zu (Probleme, Beschwichtigung, Vernebelung)
Künstler: Mag es, zu kreieren, identifiziert sich damit, sehr empfindlich bei feed back
Motivator: Versteht es, andere mitzureissen, eine Vision zu entwickeln
Entdecker: Neugierig, neues spornt ihn an, keine Angst
Choleriker: Empfindlich, zum Teil latent frustriert, sehr oft negativ und aufbrausend
Denker: Stratege, Planer, durchdringt Thematik intellektuell, Szenarien erstellen
Rebell: „Mit mir nicht“, „das lass ich mir nicht gefallen“, blockiert, auch oft beleidigt
Detailverliebte: Analysiert gerne Zahlen, entdeckt kleine Ungereimtheiten sofort, beisst sich fest
Chamäleon: Passt sich schnell an neues an (z.B. an neuen Chef) manchmal kein Rückgrad
Stellen Sie sich das ganze wie ein Theaterstück vor, welche Rolle spielen Sie denn bisher am meisten? Überlegen Sie mal, was die drei Hauptrollen in Ihrem Spiel sind. Was sagen sie über Sie aus? Sind Sie mit diesen Rollen zufrieden? Spiegeln sie Ihr wahres Wesen wider? Gönnen Sie sich einige Minuten Bedenkzeit. Gehen Sie danach die Liste noch einmal durch und überlegen Sie, welche Rollen Sie in Ihrem Leben lieber öfter spielen möchten. Was sagt der Vergleich von jetzigen und Wunschrollen über Ihre Zufriedenheit und Ihr persönliches Glück am Arbeitsplatz aus? Beim Studium der Rollen entdecken Sie sicherlich auch einige Einflüsse Ihres Elternhauses wieder. Der strenge, dominante alles vorschreibende Vater und das Kind als Rebell passen gut zusammen.Vielleicht erkennen Sie auch einige Ängste wieder, die sich in bestimmten Rollen manifestieren wie beim Harmoniesucher oder dem Zweifeler? Möglich ist auch, dass sich bestimme Überlebensstrategien aus Ihrer Kindheit oder gesellschaftlichen Sozialisation wiederfinden, in denen Sie gelernt haben, wie man Dinge von anderen Menschen bekommt (Manipulator, Krieger).
Sehen Sie es das Studium Ihrer Rollen nicht als Selbstkritik sondern als eine Möglichkeit, auf Ihrem Weg der persönlichen Meisterschaft ein wenig weiter zu gehen. Beobachten Sie sich in Zukunft einmal genauer, welche Rollen Sie spielen und welche Lernaufgaben vielleicht damit verbunden sein könnten. Was könnten die Lernaufgaben eines Zweiflers oder eines Chamäleons sein? Was sind die verborgenen Ängste, die hier angeschaut werden möchten? Gewöhnen Sie sich doch einfach an den Gedanken, dass Ihre Prädisposition, mit der Sie an den Start Ihres persönlichen Lebensspiels gehen, bestimmte Aufgaben beeinhaltet, die Sie in Ihrem Leben bearbeiten dürfen; sehen Sie es nicht als Fatalität, sondern als eine Art Fokus, der Ihnen hilft, zu einem tieferen Verständnis über sich selbst zu gelangen, das weit über Materialismus und Oberflächlichkeit des täglichen Lebens hinausgeht. Sie können dann Ihre Rollen transzendieren, in dem Sie sie bewusst spielen bzw. wechseln.
Schliesslich hilft Ihnen die Spielwiese dabei, alle Geschehnisse, die um Sie herum passieren, in einen anderen Kontext einzuordnen, egal ob es Konflikt ist, eine Bundesgtagswahl oder ein neuer Firmenschef. Es sind alles nur Spiele, die Erfahrungen beinhalten, die gemacht werden wollen. Beobachten Sie immer, was das alles für Sie bedeutet: welche Glaubenssätze sich manifestieren, was „Ihr“ Ego dazu sagt, welche Ängste hochkommen, etc. Es ist alles nur ein Teil eines großen Spiels…fangen Sie an, es für sich zu verstehen.
Kurzlebenslauf
Dr. Michael Schroeder, Jahrgang 1963, hat in Münster sowie Paris Wirtschaftswissenschaften studiert und in Saarbrücken über internationale Medien promoviert. Fast zwei Jahrzehnte lang arbeitete er für internationale Unternehmen, zuletzt als Geschäftsführer für Burda Romania. Ende 2009 verließ er die „corporate world“ und widmet sich seither seiner eigentlichen Berufung: 2011 gründete er seine Agentur Linarson und begleitet als Coach Topmanager auf deren beruflichen und privaten Entwick-lungswegen. Das von ihm initiierte Programm zur „Persönlichen Meisterschaft“ verbindet klassische Unternehmensberatung mit transformierendem Persönlichkeitscoaching. Die außergewöhnliche Kombination bietet er nicht nur in der Einzelarbeit an, sondern auch als Praxismodul in Seminaren, speziell für Manager.
von Dr. Michael Schroeder
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