
Was wird in Ihrer Firma gespielt?
In unserem letzten Beitrag haben wir uns über Ihre Rollen unterhalten, die Sie spielen. Wir sind sehr kreativ bei der Schaffung von neuen Spielen, an denen immer mehrere beteiligt sind. Schauen wir uns nun einige Unternehmensspiele genauer an, die wir gerne in der Gruppe spielen. Vielleicht sind Ihnen einige davon gar nicht bewusst.
Das Wettbewerbsspiel: Ich bin besser als Du
Wettbewerb fördert die Kreativität, macht uns aktiv, er zwingt uns, Dinge permanent zu hinterfragen. Wettbewerb ist ein Mechanismus, der uns immer wieder dazu bewegt, unsere selbstdefinierten Grenzen zu überschreiten. In unserer Welt geht nichts mehr ohne das Wettbewerbsspiel um Qualität, Produkte, Preise, Dienstleistungen, die besten Mitarbeiter, die besten Noten, die beste sportliche Leistung. Immer wieder konkurrieren wir mit anderen Menschen, wir verwenden viel Zeit damit, uns permanent zu vergleichen. Das Wettbewerbs-spiel wird oft mit Kampfvokabeln beschrieben. So gibt es Preiskämpfe, Überlebenskämpfe, Machtkämpfe. Wir haben denn Wettbewerb verinnerlicht, er gehört zu unserem Leben dazu. Ob im Privatleben, in der Schule, im Sport oder in der Firma, wir wollen besser sein als unsere Konkurrenten. Spielen Sie dieses Spiel zu ernsthaft, opfern Sie Zwischenmenschliches, der Kampf wird zum Selbstzweck. Auch dies ist nur ein Spiel und ein guter Manager lässt diese Einsicht ruhig hier und da einmal durchscheinen.
Das Perfektionsspiel
Dieses Spiel kennen wir zur Genüge. Hinter unserem Handeln steht zumeist durch externen Druck der Wunsch, völlige Kontrolle über Prozesse, Menschen, Effizienz und Produkte zu erlangen. Perfektion ist das Ziel. Auch an uns selbst stellen wir hohe Ansprüche, die wir eben nicht immer erreichen können. Wir glauben dann, nicht gut genug zu sein oder versagt zu haben. Die Erfahrung lehrt uns jedoch, dass es die 100 % nicht gibt. Immer wieder passieren Dinge, die Perfektionisten herausfordern, wir leben in einer Welt, in der Fehler nicht zu vermeiden sind. Da gibt es Lieferausfälle wegen Sturm, Fahrplan-verspätungen bei der Bahn wegen umgefallener Bäume, Flugzeugunglücke wegen menschlichen Versagens oder eine schiefgelaufene Operation im Krankenhaus, weil ein Arzt übermüdet war. Wir können mit fehlender Perfektion nicht gut umgehen, geschweige denn, uns mit 95 % davon zufrieden geben. Dies scheint wohl besonders ein Problem westlicher Länder zu sein, die schon länger dieses Spiel spielen. Wenn auch dieses Spiel mit zu viel Ernst betrieben wird, erzeugt es Stress. Nur wenige Manager können mit dieser Herausforderung umgehen und hier und da einmal den Druck herausnehmen.
Das Sicherheitsspiel
Sind wir einmal länger in der Firma, gewöhnen wir uns an die Annehmlichkeiten, unser Gehalt und die vielen anderen Leistungen. Wir gehen immer weniger Risiken ein, weil wir unsere Stellung nicht gefährden wollen. Ich treffe viele Manager, die sich gerade in den 40 und 50gern wie in einem golden Käfig fühlen. Es ist kaum noch Spielraum für eigenes Handeln da, es wird abgewartet, es werden Seilschaften gebildet, die den Job stabilisieren sollen. Das Sicherheitsspiel mag auf den ersten Blick verlockend erscheinen, weil wir damit unseren Lebensstandard sichern. Es führt aber immer häufiger zu Frustrationen und ein Burnout ist dann oft nicht mehr weit. Auf Dauer können wir schwer damit leben, dass wir immer weniger gestalten dürfen und dafür das politische Taktieren die Oberhand gewinnt.
Eine neue Sau wird durchs Dorf getrieben
Neue Besen kehren gut, sagt eine alte Volksweisheit. Wird eine Führungsposition neu besetzt, gibt es oftmals neue Spiele. Die Mannschaft muss sich auf eine neue Person einstellen, sie mag einen anderen Kommunikationsstil haben, andere Prioritäten setzen. Kommt der Vorstand von einer renommierten Beraterfirma, kann es sein, dass er seine Lieblingsspielzeuge wie cost cutting, outsourcing, restructuring, downsizing, mit bringt. Diese Spiele werden zum großen Teil als Wunderwaffen verkauft, sind aber eigentlich nur Modeerscheinungen. Wie oft hat sich im nachhinein herausgestellt, dass z.B. outgesourcte Abteilungen gravierende Nachteile aufwiesen und teilweise mehr Kosten verursachen als die frühere Variante integrierter Abteilungen. Letzten Endes sind es hier zum großen Teil Egosspiele der Grossen, denen viele ausgesetzt sind. Irgendwann kann es dann für Sie frustrierend werden, sich immer wieder auf diese Art Spiele einzustellen.
Copy-Paste-Spiele
Copy-Paste-Spiele sind solche, die wir anscheinend nicht diskutieren und hinterfragen können, diese werden zentral für mehrere Länder oder Regionen entschieden und sollen dann in jeder Gesellschaft des Konzerns umgesetzt werden. Dazu gehören bestimmte Prozesse, Regeln, Mitspracherechte, Gesprächsleitfäden, Genehmigungen, Verhandlungsspielräume etc., die aus der Sicht der Zentrale auch Sinn machen. Manchmal nehmen die zentralen Regelungen jedoch derart überhand, dass der lokale Manager praktisch nichts mehr selbst entscheiden kann. Es wird eine Linie vorgegeben, standardisiert. Das schafft vielleicht vordergründig Vorteile, nimmt aber vielen Managern, die sich gerne als Unternehmer fühlen möchten, den Wind aus den Segeln.
Hurra, wir spielen Abstimmung
Dieses Spiel ist vielen von uns wohl bekannt. In großen Firmen dürfen wir im allgemeinen relativ wenig selbst entscheiden, sondern müssen uns permanent abstimmen. Dies ist bei zwei Personen noch relativ einfach, handelt es sich aber um komplexe Organisationen, wie internationale Matrixorganisationen, sind mehrere Personen in mehreren Ländern involviert. Diese haben dann auch wieder ihre eigenen Interessen, die Sie gut kennen sollten, um sich darauf einzustellen. Durch diese lange dauernden Abstimmungsprozesse stellt man sicher, dass alle Beteiligten in Entscheidungen eingebunden werden. Das Spiel kann mitunter sehr kompliziert sein, es verhindert oftmals Unternehmertum, Eigenverantwortung und erzeugt Frustrationen. Es dient eigentlich vor allem der Kontrolle, kann sogar Zeichen von Misstrauen sein. Keine Person hat alleinige Entscheidungskompetenz, sie ist auf viele Personen verteilt. Vielleicht kennen Sie die Folgen dieses Spiels persönlich sehr gut: Wie oft sind wir dann resigniert und machen irgendwann praktisch eher mechanisch nur das Nötigste, wir haben innerlich bereits gekündigt.
Wir spielen das Wahrheitsspiel
Sagen wir in den Firmen immer die Wahrheit? Tagtäglich müssen wir uns wieder neu entscheiden, was wir sagen und was nicht. Als Vorgesetzter wissen Sie einiges mehr als Ihre Mitarbeiter über die Situation der Firma, über strategische Neuorientierungen und personelle Veränderungen. Gebe ich alle Informationen immer weiter? Wenn Budgetverhandlungen anstehen, wenn es um Gehalts- oder Bonusverhandlungen geht, eine Restrukturierung ansteht, was behalten Sie für sich? Wir halten manchmal Informationen zurück, um unsere Mitarbeiter nicht zu schockieren, ihnen die Wahrheit scheibchenweise zu übermitteln. Wir erzählen auch Geschichten, um die Mannschaft zu motivieren, bauen Druck auf, überzeichnen oder verheimlichen Bedrohungen durch Markt und Konkurrenz. Wir sind stolz auf Firmenwerte, die mit Respekt, Transparenz und Ehrlichkeit zu tun haben, aber wenden wir sie wirklich immer an? Lassen wir uns wirklich an ihnen messen oder ist es mehr eine Art Opium für die Mitarbeiter, damit sie Ruhe geben? Das, was wir sagen und was wir tun, ist nicht immer im Gleichgewicht. Dies kann bei den Mitarbeitern zu Frustrationen führen, wenn es offensichtlich wird. Dieser Spagat ist auch für den Chef nicht unproblematisch, wenn Sie dauerhaft das eine denken und das andere tun. Wir können das, was wir wirklich denken und wünschen, nicht permanent ausblenden und wegdrücken. Versuchen Sie es doch, werden Sie es an Ihrem eigenen Körper zu spüren bekommen.
Wir spielen Mitarbeitergespräch
In vielen Firmen ist das jährliche Mitarbeitergespräch ein fester Bestandteil der Mitarbeiterführung. Man trifft sich, um die Zusammenarbeit noch einmal Revue passieren zu lassen und gemeinsam einen Blick in die Zukunft zu werfen. Beide Gesprächspartner geben und erhalten im Idealfall feed back, wie es so schön in Neudeutsch heißt. Doch es ist nur ein Spiel; man tut so, als wenn man das ganze Jahr hindurch nicht miteinander spricht, jeder sammelt fleißig Fakten und Eindrücke, um sie dann in einer Art show down ins Gespräch einzubringen. Mitarbeitergespräche haben heute meistens nur eine Feigenblattfunktion, die zeigen soll, dass man sich füreinander interessiert. Selten wird wirklich offen in beide Richtungen gesprochen. Es wird überlegt, taktiert, etwas nicht gesagt, so getan als ob. Sehr oft gehen Angestellte aus einem solchen Gespräch heraus und sind verwirrter als vorher.
Es gibt viele weitere Spiele, zum Beispiel das Spiel Neugründung auf der grünen Wiese, Budgetverhandlungen, Mobbing eines Mitarbeiters, Inszenierungen von Firmen, Produkten oder Personen. Achten Sie einmal darauf, welche Spiele Sie spielen oder mit Ihnen gespielt werden; durchschauen Sie die Spielregeln und werden Sie sich bewusst darüber, ob es für Sie immer noch ein konstruktives Spiel ist, oder ob es bereits destruktiven Charakter bekommt. Dann sollten Sie besser nach einer neuen Spielwiese Ausschau halten. Je mehr Sie bewusst spielen, desto größer wird Ihre Distanz, Sie nehmen nicht mehr alles so ernst. Am besten hat es der Archetyp des Clowns, der jede beliebige Rolle spielen kann und sie dadurch transzendiert; das ist Freiheit.
von Dr. Michael Schroeder
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